60 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
Die Marxisten betrachteten die Gewerkschaftsbewegung jedoch 
lediglich als Mittel zum Zwecke, d. h. zur Agitation und zur Ver— 
schärfung des Klassengegensatzes und Klassenkampfes. Die Gewerk— 
schaften erschienen ihnen als sehr geeignete Drillanstalten für die 
Areiterbataillone. Marx und seine Anhänger wollten durch die 
Gewerkvereine hauptsächlich die politischen Ziele der Sozial— 
demokratie fördern. Daß die wirklichen Zwecke der Gewerkschafts— 
bewegung von ihnen gänzlich beiseite gesetzt wurden, geht am 
deutlichsten aus dem Umstande hervor, daß sie internationale 
Organisationen, nach den Beschlüssen ihrer Kongresse „Internationale 
Gewerbsgenossenschaften“ bilden wollten. 
Daß solche Organisationen verfehlt waren, wurde von dem 
Sozialdemokraten York in Hamburg erkannt. Er wollte die 
Wirksamkeit der Gewerkvereine auf das wirthschaftliche Gebiet 
beschränken, sie von allen politischen Einflüssen befreien und ihnen 
dadurch einen neutralen Charakter sichern, daß die Gewerkvereine 
Arbeiter aller politischen Parteien aufnehmen sollten. Die von ihm 
angefachte Bewegung, für die es ihm gelungen war eine nicht 
unerhebliche Anhängerschaft zu gewinnen, erlosch jedoch nach 
wenigen Jahren mit seinem Tode. 
Die auf Förderung der Gewerkschaftsbewegung gerichteten 
Bestrebungen der Sozialdemokraten waren durch den im 
Jahre 1875 zu Gotha erfolgten Zusammenschluß der Lassalleaner und 
Marxisten aussichtsvoller geworden. Ihnen wurde jedoch durch 
den Erlaß des Sozialistengesetzes im Jahre 1878, das die sozial— 
demokratische Agitation und Bewegung zeitweilig zur Ruhe brachte, 
ein Ziel gesteckt. Selbst die der Sozialdemokratie feindlich gegen— 
überstehenden Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine erlitten starke Ein— 
buße. Aber mit den achtziger Jahren, noch während der Herrschaft 
des Sozialistengesetzes, begann die Arbeiterbewegung sich wieder 
lebhaft zu bethätigen. Hierzu ermuthigend mag der Widerstand 
gewirkt haben, der den Versuchen der Regierung, die Wirkung des 
Sozialistengesetzes durch weitere Maßregeln zu sichern bezw. zu 
verstärken und den Anträgen auf Verlängerung der Geltungsdauer 
des Gesetzes in steigendem Maße vom Reichstage entgegengesetzt 
wurde. Die Sozialdemokratie nahm die öffentliche Agitation plan— 
mäßig, jedoch mit großer Vorsicht wieder auf. An allen Orten 
mit starker Arbeiterbevölkerung, besonders in Berlin, wurden Ver—