2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 113
Befugniß gewähren wolle, in dringenden Fällen von dem Verbote
der Sonntagsarbeit zu entbinden.
Soweit hätte in der Kommission Uebereinstimmung der An—
sichten geherrscht. Zweifel hätten nur bestanden, ob vor Erlaß
eines derartigen Gesetzes zunächst durch Benehmung mit Sach⸗
verständigen die Ausnahmen festgestellt werden sollten. Die hierauf
gerichteten Wünsche lägen vor in dem Antrage der Abgeordneten
Dr. Buhl und Genossen.
Der Abgeordnete Rödiger, Sozialdemokrat, verwies darauf,
daß die Kommission 19 Sitzungen zur Berathung des lediglich die
Ruhe an Sonn- und Festtagen betreffenden Gesetzentwurfes gebraucht
habe. Er knüpfte daran die Befürchtung, daß, wenn es so weiter
gehe, Jahrhunderte erforderlich sein würden, um zu einem that—
sächlichen Schutz der Arbeiter zu gelangen. Im übrigen seien die
Sozialdemokraten geneigt, unter gewissen Bedingungen für das
Gesetz zu stimmen. Rödiger verurtheilte die vorgesehenen Aus—
nahmen und auch den Antrag des Abgeordneten Dr. Buhl.
Gegen diesen führte er an, daß bei den Erhebungen doch nur die
„Herren Unternehmer“ gehört werden würden.
Demgegenüber sei hier auf die Delegirtenversamm—
lung des Centralverbandes verwiesen, in der von ver—
schiedenen Industriellen dringend gefordert worden war,
daß bei anzustellenden Erhebungen über die Arbeiter—
verhältnisse die Arbeiter in erster Reihe gehört werden
sollten.
Rödiger fuhr fort, indem er die von den Vertretern der
Regierung in der Kommission eingenommene Haltung tadelte.
Die Sozialdemokratie könne sich nicht der Hoffnung hingeben, daß
es im Reichstage zu Beschlüssen im Interesse der Arbeiterschaft
kommen werde.
Der Abgeordnete Dr. Lieber, Führer des Zentrums, be—
dauerte zunächst „aufs tiefste“, daß erst am Ende einer beinahe
sechsmonatigen Session die erste Frucht des Antrages an das
Haus komme, den seine Freunde, der Abgeordnete von Hertling
und der frühere Abgeordnete von Schorlemer-Alst gemein—
schaftlich mit ihm unter dem 20. November v. Is. dem Reichstage
vorgelegt hätten. Die Kommission habe ihre Schuldigkeit gethan,
aber die vorhandenen Schwierigkeiten seien selbst von der Ver—
tretung der Regierung vermehrt worden. Dr. Lieber bezog sich
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