166 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
männlichen Arbeiters, welcher seine Arbeitskraft, seine ganze
physische und moralische Persönlichkeit eben nicht trennen kann
von seiner Arbeitsleistung, die er doch zur Erhaltung seiner
Person und Familie zu Markte tragen muß; gegenüber — sage
ich — der wahrhaft empörenden Ausbeutung dieser Arbeits—
kraft und Persönlichkeit, welche leider auch den erwachsenen
männlichen Arbeiter häufig genug noch bis zur Erschöpfung
an die Arbeit zwingt. Wenn man in den jüngsten Berichten
unserer Fabrikinspektoren wiederum von effektiven Arbeitstagen
liest, wie in Mittelfranken von 13—151/, Stunden, wie in Leipzig
von 12 Stunden, aber sehr häufig mit „Ueberstunden in größerer
Zahl“, ja, wie in Baden, wo einmal eine 24- und ein andermal
sogar eine 30stündige ununterbrochene Arbeitszeit konstatirt
ist; ja, meine Herren, wenn es da nicht nothwendig ist, auch den
erwachsenen Arbeiter gegen solche exorbitante ungerechte und un—
erträgliche Ausbeutung seiner physischen und moralischen Persön—
lichkeit zu sichern, dann weiß ich nicht, wann überhaupt die Gesetz—
gebung zugreifen soll, um das schöne Wort, daß die Gerechtigkeit
die Grundlage der Staaten, aller Gemeinwesen, jeglicher Ordnung
ist, zur Wahrheit zu machen.“
Jencke stellte, zur Vermeidung von Mißverständnissen bezüglich
seiner Auffassung, ausdrücklich fest, daß er die von dem Abgeordneten
angeführten außergewöhnlich langen Arbeitszeiten, nie und nimmer
billigen könne, daß er sie vielmehr für eine Ueberschreitung
jedes erlaubten Maßes halte. Bis zum Beweise des Gegen—
theils könne er aber nicht annehmen, daß es sich hier um eine
regelmäßige Arbeitsleistung handle, sondern er nehme an, daß
Ausnahmefälle vorgelegen hätten, die aus den Berichten der Fabrik—
inspektoren herausgegriffen worden seien.
Auch in Bezug auf die Frauenarbeit stehe der Abgeordnete
Dr. Lieber auf einem sehr entschiedenen Standpunkte. In seinen
bezüglichen Ausführungen sei zwischen den Zeilen zu lesen, daß er
es der Industrie überhaupt zum Vorwurfe mache, wenn in ihr
das weibliche Geschlecht Arbeit und Brod gefunden habe. Anders
könne er Aeußerungen, wie die folgenden, nicht deuten. In der
bereits angeführten Rede habe der Abgeordnete Folgendes gesagt:
„Neben der Frage der Sonntagsruhe steht sodann die Frage
eines wirksameren Schutzes der Frauen und Kinder, die in Fabriken
beschäftigt sind.“