226 H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller.
keit der Massen spekulirten. Von diesem Gesichtspunkte aus hätten
sich, außer den Sozialdemokraten, auch andere Parteien an der
Schürung der Bewegung betheiligt.
Die Verhetzung der Arbeiter sei nirgendswo so systematisch
betrieben worden, wie in dem rheinisch-westfälischen Kohlenrevier.
Dem Ausstande der Bergleute im Mai des vergangenen Jahres
seien zahlreiche andere Arbeiterstreitigkeiten und Streiks gefolgt,
wesentlich zu dem Zweck, die Organisationen der Arbeiter zu stärken
und deren Willen maßgebend zu machen. Dem sich zu widersetzen
sei Pflicht der Selbsterhaltung der Arbeitgeber gewesen. Die so
entstandenen Kämpfe hätten in den letzten Jahren alle anderen
Interessen weit in den Hintergrund gedrängt und die Aufmerksam—
keit der öffentlichen Meinung, wie der leitenden Kreise, in erster
Reihe in Anspruch genommen.
Das Bestreben, die Lage der Arbeiterbevölkerung zu bessern
habe diese Kreise zu einer energischen Thätigkeit veranlaßt. Obgleich
die Lage der Arbeiter in den letzten Jahren sich so günstig gestaltet
habe, wie nie zuvor in irgend einer Zeit, habe sich eine gewisse
Schule unter den älteren, besonders aber unter den jüngeren
Nationalökonomen und philantropisch angelegten Politikern zur
Aufgabe gemacht der Welt zu beweisen, daß die Lage der Arbeiter
überaus ungünstig sei und daß zu deren Besserung, ganz besonders
aber zur Hebung ihrer sozialen Stellung, noch sehr viel geschehen
müsse. Dieser Auffassung war in Wort und Schrift die weiteste
Verbreitung gegeben. Diesem Umstande sei nicht zum wenigsten
zuzuschreiben, daß die Unzufriedenheit und Begehrlichkeit der
Arbeiter stets wachse. Wenn den Arbeitern täglich in Reden und
Zeitungsartikeln gesagt werde, daß viel, sehr viel für sie geschehen
müsse, so sei es ihnen in der That nicht zu verargen, wenn sie
das schließlich glauben und sich für die unglücklichsten und hilfs—
bedürftigsten Wesen in der Welt betrachten.
Jene schweren Kämpfe hatten, wie in der letzten Thronrede
unumwunden ausgesprochen sei, an Allerhöchster Stelle den Anlaß
gegeben „eine Prüfung der Frage herbeizuführen, ob unsere
Gesetzgebung den innerhalb der staatlichen Ordnung
berechtigten und erfüllbaren Wünschen der arbeitenden
Bevölkerung in ausreichendem Maße Rechnung trage.“
Die Ergebnisse dieser Prüfung lägen nunmehr in den beiden
zur Erörterung gestellten Gesetzentwürfen vor.