Full text: Dritter Band (3. Band)

2. Abschnitt: Arbeit des Centralverbandes. B. Sozialpolitik. 501 
Aufdrucken des Firmenstempels vollzogen werden könne. Das 
Direktorium beschloß, in einer Eingabe bei dem Reichskanzler in 
diesem Sinne vorstellig zu werden, da es die Lohnzahlungsbücher 
und ihre Unterzeichnung, weil kein Vollstreckungsmittel vorgesehen 
worden sei, für eine zwecklose Einrichtung erachtete. Die beschlossene 
Eingabe wurde unter dem 19. Oktober 1902 an den Reichskanzler 
gerichtet.“) In dieser Eingabe war ausgeführt, daß der Central— 
verband stets das Wohl der Arbeiter im Auge gehabt habe und auch 
den durch die Gesetzgebung in den genannten Paragraphen ver— 
folgten Zwecken zugestimmt habe. Diese seien darauf gerichtet ge— 
wesen, den bösen Einfluß zu verhüten, den die Auszahlung des Lohnes 
an Minderjährige, ohne daß ihre gesetzlichen Vertreter davon Kenntniß 
hatten, ausgeübt habe. Eine zweifährige Erfahrung habe aber ge— 
lehrt, daß jene Bestimmung ihren Zweck in keiner Weise erreicht habe 
und auch nicht erreichen könne. Das Direktorium hatte eine Umfrage 
bei einer großen Anzahl seiner Mitglieder gehalten. Auf Grund 
der eingegangenen Antworten konnte der Centralverband in seiner 
Eingabe berichten, daß ein großer Theil der Minderjährigen kaum 
zu bewegen sei die Lohnzahlungsbücher an sich zu nehmen. Viele 
der anderen entledigten sich der Lohnbücher möglichst schnell, indem 
sie sie versteckten oder den Pförtnern zur Aufbewahrung überlieferten, 
um sie vor der nächsten Löhnung wieder zurückgeben zu können; nur 
ein ganz kleiner Theil legte sie den gesetzlichen Vertretern vor. Viele 
Arbeiter hätten die Bücher verloren, so daß bei jeder Lohnzahlung 
neue ausgegeben werden müßten. Die meisten jugendlichen Arbeiter, 
welche die Bücher überhaupt zurückliefern, brächten sie in beschmutztem, 
oft sogar in so ekelhaftem Zustande zurück, daß selbst Ansteckungen 
durch das Ausfüllen dieser Bücher nicht ausgeschlossen erschienen. 
In sehr vielen Fällen wohnten die minderjährigen Arbeiter fern von 
ihrer Heimath und könnten daher ihre Bücher überhaupt nur durch 
die Post ihren gesetzlichen Vertretern vorlegen. Hierzu seien sie, wegen 
der Umständlichkeit und der Kosten, nicht zu bewegen. Zahlreiche 
jugendliche Arbeiter seien auch abgeneigt, sich irgend welcher Ueber— 
wachung ihres Lohnes oder ihrer Ausgaben durch ihren gesetzlichen 
Vertreter zu unterwerfen. Da jede gesetzliche Verpflichtung fehle, so 
fehle auch jedes Mittel die jugendlichen Arbeiter zu zwingen die 
Bücher den Eltern vorzulegen. 
* Abgedruckt in den Verhandlungen ꝛc. des Centralverbandes, Heft 95, S. 28.
	        
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