Full text: Dritter Band (3. Band)

22— H. A. Bueck. Centralverband Deutscher Industrieller. 
Manchesterthums beherrschte Mehrheit des Reichstags den Uebergang 
zur Freihandelspolitik angestrebt und vollzogen hatte. Auf dem 
Gebiete der Gewerbeordnung führten jene Grundsätze zur Erstrebung 
des thunlichst größten Selbstbestimmungsrechtes und weitgehender 
Ungebundenheit der einzelnen Individuen und daher zum Wider— 
stande gegen die Machtvollkommenheit des Staates, regelnd und 
schützend in die gewerbliche Thätigkeit und Bewegung einzugreifen. 
In der die Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der Gewerbe— 
ordnung darstellenden Einleitung zu seinem im amtlichen Auftrage 
herausgegebenen Buche „Das Gewerberecht des Deutschen Reiches“*) 
bezeichnete Dr. Bödiker als die wesentlichsten Gebiete des Meinungs— 
unterschiedes zwischen den Verbündeten Regierungen und der Mehr— 
heit des Reichstages die konzessionspflichtigen Gewerbe, den Ge— 
werbebetrieb im Umherziehen, das Hausiren am Wohnorte, den 
Geschäftsbetrieb der Detailreisenden, das Lehrlings- und das Hilfs— 
kassenwesen. Dr. Bödiker wies darauf hin, daß schon damals die 
Reaktion gegen die von der damaligen Vorlage zu weit abweichenden 
Beschlüsse des Reichstages vorausgesagt worden sei. Es war, so 
führte Bödiker als Beispiel an, Denen, die unter anderem das 
Hausiren mit Staats- und Werthpapieren, wie mit gebrauchten 
Kleidern hatten freigegeben wissen wollen und die den so— 
genannten fliegenden Buchhändler, wie die Begleiter der Hausirer, 
von jeglicher polizeilichen Beschränkung am liebsten ganz frei 
gemacht hätten, noch in dritter Lesung mit genauer Noth, so 
bei 857 Ziffer 2 mit Einer Stimme Mehrheit, gegen den 
dringenden Widerspruch des Bundeskommissars Michaelis ge— 
lungen, Abschwächungen der Vorlage zu erzielen, die über die 
Beschlüsse der in ihrer Mehrheit durchaus freisinnigen Kommission 
hinausgingen. Bödiker sagte dann wörtlich: „Damit ist die 
Erklärung der späteren Novellen-Gesetzgebung, soweit diese zu 
Beschränkungen gegriffen hat, von selbst gegeben.“ Diese Gesetz— 
gebung hat, um dies hier vorweg zu bemerken, das Prinzip der 
Gewerbefreiheit nicht aufgeben wollen. Sie hat nur in den Fällen, 
wo damals, gegen den Widerspruch der Verbündeten Regierungen 
und zum Theil gegen eine starke Minorität im Reichstage, in der 
Beseitigung der nothwendigsten Schranken zu weit gegangen war, 
das richtige Maß wieder zu gewinnen gesucht. 
*) Berlin 1883. R. v. Decker's Verlag Marquardt & Schenk
	        
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