Full text: XVII. und XVIII. Jahrhundert bis zum Auftreten Friedrichs des Großen 1740 (21. Band, 2. Abtheilung)

1064 Des XVII Jahrhunderts erste Hälfte. III. Truppenkunde. 
Da8 bei weitem wichtigste Kapitel ist das erste, das vom „Volk“. E53 handelt 
in fünf Abschnitten vom Bevelch vnd gemeinen Soldaten, von Ausschuß und nit 
Ausschuß, von Bewöhrung, von Kleidung und endlich von Musterung und Übung. 
Dies letztere Kapitel gibt auch eine interessante Übersicht der Elementartaktik 
vorzüglich des Fußvolks. =- Das Exerzierreglement ist ganz im nassauischen 
Sinne abgefaßt. Hinsichtlich der Infanterie werden die Formationen der blanken 
Waffen grundsätzlich von denen der MusSketiere und Sc<hüßen unterscheiden. = 
Die Schlachtordnung der Spieße und Hellebarden soll gegen einen schwächeren 
Jeind viel mehr breit als hoch sein, z. B. 16 Schuh ho< und 384 Schuh lang; 
gegen eine namhafte Überlegenheit jedoch oder gegen Reiterei empfiehlt sich das 
volle Vierec> (Landes) 3. B. 128 Schuh hoch und 128 Schuh lang. Gilt es, 
einen sehr wertvollen Troß zu bergen, so wende man das hohle Viere> an. 
Wenn es sich um den Sturm eines Engpasses oder einer »brescia« handelt, so for- 
miere man ganz schmale Heersäulen. =- MusSketiere und Schüßen werden in vier- 
eckigen Flügeln (fligeln) geordnet, um den Spießen und Kurzwehren als „Seitten- 
guarniggion“ zu dienen. Zu dem Ende teilt man sie am besten in kleine 
Haufen; diese aber stellt man „etwas hoch, damit sie lang nach eineinander treffen 
vnd widerumben zur Ladung kommen können ; nämlich zwei oder dreimal höher 
als breit. In der Braite sein gemeinlich 4 im glid; wo ihr aber viel sind, 
stellt man zwo ordnung nebeneinander vnd macht ein gassen dazwischen.“ Hat 
man sehr viel Schüßen und nur einen einzigen Schlachthaufen, so umgibt man 
diesen wohl mit ein oder zwei Gliedern Schüßen (ein Zugeständnis an die in 
Österreih überkommene spanisch-ungarische Ordonnanz) ; stehen aber mehrere 0 
Schlachthaufen nebeneinander, so soll man das nicht tun, sondern lieber die Tiefe | 
der Schüßenflügel oder, noch besser, ihre Zahl vermehren. 70 
Den ersten Gebrauch von dieser DefensionSordnung machten die Satie 
böhmischen Stände bei ihrer Erhebung gegen den Kaiser. gin 
Jeder fünfte Mann sollte sich zu den Waffen stellen. Zahl und Brauch- 4 
barkeit des Aufgebotes blieben weit unter der Erwartung; die mühsam zusammen- nN 
gebrachten Haufen waren kampfunlustig, liefen auSeinander, wenn Entbehrungen | 
drohten, und wurden bald mehr als Last denn als Hilfe betrachtet. Infolge 
dessen gestatteten die Stände den LoSkauf, und das Schwergewicht fiel wieder 
ganz auf die geworbenen Söldner. 
Kaiserlicherseit8s kam es zu Aufgeboten zuerst 1632 und 1636, 
als in Oberösterreich religids-sozialistische Bauernbewegungen statt- 
fanden, und dann 1641, um die von Bayern und Böhmen her gegen 
Oberösterreich vorgehenden Schweden abzuhalten *). 
Ein kaiserl. Patent verfügte, daß alle Obrigkeit „von 100 Feuerstetten je 
einen tauglichen Mann herdan nehmen“ sollten. Von vornherein sei ihm ein 
Monat8sold von 6 Gulden einzuhändigen. Aber auch hier erkannten die Stände 
1) Fr. Kurz: Gesch. der Landwehre in Österreich ob der Enn8. (Linz 1811.) AuSzüge in 
H. Meynerts3 Gesch. der k. k. Armee Il. (Wien 1854) und in Gilb. Angers Jllustr. Gesch. der 
x. Armee 11. (Wien 1887.)
	        
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