2. Allgemeine Werke aus der Zeit vor dem dreißigjährigen Kriege. 87
geschehen wäre, gehören zu den größten Seltenheiten. Die Artillerie Alfonso
v. Este, welche durch ihre großartige Flankenbewegung während der Schlacht vo
Ravenna (1512) so viel zur Entscheidung des Tages beitrug, ist ohne Neben-
vuhler , ohne Nachfolge geblieben. Die taktische Entwi>kelung der Geschüßwaffe
var ins Stocken geraten, weil sie (zumal in Deutschland) beharrlich der aus=
Ihließlichen Leitung zunftmäßig beschränkter Büchsenmeister überlassen blieb und
weil die höheren Führer es versäumten, sich genügende Cinwirkung auf die Artillerie
zu sichern. Diese mußte daher dem auf freien Felde vorrückenden Ang reifer sehr
venig ; die Verbindung des Schüßengefecht3 mit dem der hellen Haufen aber bot
ür ihn überaus große Schwierigkeiten ; denn falls die Schüßen vor Reiterei oder
geschlossenem Fußvolk wichen, so fanden sie nicht (wie das in der vorbereitete
der doch sorgsam ausgesuchten Verteidigungsstellung der Fall war) Schuß i
Gelände, sondern wurden unmittelbar auf die Spießerhaufen zurückgeworfen.
Wie sollte man sie da nun unterbringen ? =- Leitender Grundsaß war selbst-
verständlich , daß die feste Geschlossenheit der Spießerviere>e unantastbar sei; ihre
elbstbehauptung blieb unter allen Umständen die Hauptsache, der sich jede andere
Rücksicht, namentlich also auch die auf die Schüßen, ganz unbedingt unterzuordnen
hatte. Dies wurde jedoch immer schwieriger, je mehr die Zahl der Schüßen
zunahm, und das geschah ununterbrochen ; denn leichtere AusSrüstung wie Un-
gebundenheit erschienen al3 lockende Vorzüge, welche die Scharen der Arkebusiere
u. und MuSketiere beständig anschwellen ließ; während der alte Kern der geharnischte
0 - pießträger stetig s<molz. Nicht umsonst bedeuten schon in der zweiten Hälfte
ien tts des 16. Jhdts. die Ausdrücke „Pikenier“ und „Doppelsöldner“ ein und dasselbe.
| ii In mannigfaltigster Weise suchte man Spießerhaufen und
elan <hübßensc<hwärme zu ein und demselben taktischen Körper z
SN verbinden und zugleich die Schüßen für das Gefecht in geschlossener Ordnung
y 3 zu diSsziplinieren. Bald hing man die Arkebusiere als langgestreckten Ärmel
is ' manica) an eine der Flanken des Schlachthaufens an; bald formierte man sie
ch | | wie kleine Bollwerke an seinen vier E>en ; bald gruppierte man sie als „Flügel“,
vn d. h. al3 laufende Trupp3, rechts und links der Spießermasse. Eigentlich organische
m Verbindungen waren da3 freilich keineSweg3. Endlich, als die Zahl der Schüßen
] die der Pikeniere übertraf, griff man auf Tartaglias unglücklichen Gedanken zurück,
dem Spießerhaufen auf allen vier Seiten einen mehrere Glieder tiefen Besaß
guarnizon) von Schüßen zu geben; nur um diese doch irgendwie unterzubringen
falls sie sich, ausgeschwärmt, nicht mehr zu halten vermöchten. Damit aber trat
das Unvernünftige sol< mechanischen „Anhängungs“-BVerfahrens grell hervor :
jeder Teil hinderte den andern am Gebrauche seiner Waffe; die Pikeniere ver-
oc<hten ihre Spieße nicht anzuwenden, weil kaum die Sperklingen des ersten
Gliede3 über den „Besaß“ hinausragten ; und die eng zusammengeballten Schüßen
| varen außer stande , die damals übliche Art des Feuergefechtes durchzuführen ;
te | denn diese beruhte auf dem rotten- oder gliederweisen Kontremarsche, welcher
1 dis mmer wieder ein Glied oder eine Rotte mit geladenen Gewehren in Front oder
a li Flanke brachte, wenn das Glied, welches eben geschossen hatte, ablief, um hinten
vort. Freilich, ! zu laden. Natürlich strebte man seit Einführung des „Besage3“ dahin, den Ums
+ Jonen 8 mi: