breiten Raum beansprucht. Man hat in den Vorlesungen liebe—
voll aufgezeigt, was schon die alten Assyrer usw. taten, bis
man dann schließlich dazu kam, daß „man“ es heute nun so
oder so oder so mache, und zwar unter Benutzung dieses und
jenes Schemas und der einschlägigen Formeln usw. Bei
den Formeln und Gesetzen der Technik äber glaubten viele
etwas besonders „Hochschulmäßiges“ zu leisten, wenn sie sie von
Anbeginn an entwickeln und insonderheit ihre mathematische
Ableitung in allen Einzelheiten lehren, und wenn sie dann in
der Prüfung diese Kenntnis fordern. Das alles hat natürlich
auch seine Werte. Aber es darf nicht zu weit gehen. Vor allen
Dingen ist zu fragen, ob jedem Bauingenieur sämtlicher
Richtungen diese Kenntnisse in gleichem Ausmaß zu vermitteln
notwendig und überhaupt durchführbar ist. Weit wichtiger als
die Entwicklungsgeschichte unserer Werke in der Vergangenheit
ist die kritische Behandlung der Frage, in welcher Hinsicht und
auf welche Weise künftig deren technische Vollkommenheit
weiter zu steigern wäre. Was aber die Formeln und dergleichen
betrifft, ist zu beachten, daß sie nicht den Sinn und Zweck
unserer Arbeit bilden, sondern nur Werkzeug für unser
eigentliches Handeln sind.
Sein Werkzeug muß der Ingenieur natürlich kennen.
Aber abgesehen von den eigentlichen Wissenschaftern, die sich
im besonderen mit dessen Fortbildung und Ersatz durch Besseres
befassen, braucht nicht jeder bis in alle Einzelheiten zu wissen,
wie dieses Werkzeug durch allerhand mathematische Manipu—
lationen bis zu seiner jetzigen Gebrauchsform gelaängt ist. Viel
wichtiger ist erstens, daß er sie durchschaut, also weiß, auf welchen
Grundsätzen der Natur oder auf welchen Vorstellungen oder
Annahmen sie beruhen, was in ihnen steckt, inwieweit sie zu—
verlässig sind, wie sie zu handhaben sind und inwieweit es
empfehlenswert ist, an dem damit errechneten Ergebnis noch
Korrekturen vorzunehmen und aus dem Feingefühl des In—
genieurs heraus an einem Punkte zuzulegen und am anderxen
aber vielleicht zu sparen. Das n der Ingenieur wissen
und können! Er muß sich bewußt sein, daß fast alle Formeln
und Verfahren auf Vorstellungen beruhen, die nicht genau den
tatsächlichen Verhältnissen und Vorgängen entsprechen, sondern
daß sie diese bestenfalls nur annähernd erfassen, und daß
man zu verschiedenen Ergebnissen kommt, je nachdem man dieses
oder jenes Verfahren anwendet, die an sich gleichwertig sind.
Vor allen Dingen aber muß er wissen, was ihm an Werk—
zeug zur Verfügung steht und welches er davon zu wählen
hat, um Fragen und Aufgaben zu lösen, die sich nicht in einer
Nachahmung des Hergebrachten erschöpfen, sondern bei denen
es neue Wege zu beschreiten und Besseres zu leisten gilt. Dann
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