Full text: Musikgeschichte, Kulturquerschnitte, Formenlehre, Tonwerkzeuge und Partitur (1. Band)

Klavier- und Kammermusik. 163 
„Années de pélerinage“ (1835—1836), Eindrücke aus der 
Schweiz und im 2. Band aus Italien, darunter die gehaltvolle 
„Dantesonate“ und als der Höhepunkt die, Sonate in Hmoll“. 
Von feurigem, wildem Temperament sind die 15 ungarischen 
Rhapsodien, fantastische Zigeunermusik, gebändigt durch das 
Gesetz der Kultur. 
Wie Liszt die Sonate in einen Satz zusammenzog, so gestaltete 
er auch seine Klavierkonzerfein Badur und dur ein— 
sätzig in freier Form, unter feinster Abwägung der Gegensätze. 
Von den frühen Zeitgenossen Chopins und Liszts sind Thalberg 
und Herz in ihren ungezählten Werken ganz verschollen. Der Einfluß 
der beiden Großen aber geht in die Zukunft. Da ist keiner, der sich ihm 
entziehen kann, der nicht von ihnen gelernt hätte. Allerdings, je mehr 
R. Wagner die Kunst beherrschte, um so mehr treten besonders Klavier— 
komposition und Kammermusik in den Hintergrund, vor allem in 
Deutschland. Nur wenige Meister von geringerer Bedeutung treten hier 
hervor, wie Stefan Heller, A. Kirchner, A. Henselt. Bedeutender als alle 
diese ist Joachim Raff (1822 -1882). Von Jüngeren ist vor allem 
Laver Scharwenka (1859 — 1924) zu nennen mit seinen berühmten 
„Polnischen Tänzen“ und den beiden Konzerten. Neben 
ihm sein Bruder Philipp Scharwenka (1847 -1907) und Moritz 
Moskowski, einer der elegantesten Klavierstilisten. 
Eine größere Pflege findet das Klavier im Ausland. Im Norden 
ist vor allem Ed. Grieg (1843 1907) mit seiner prächtigen Sonate, 
dem Klavierkonzert in 4moll und den stimmungsvollen 
lyrischen Stücken zu nennen. Neben ihm Svendsen und Sinding. 
In Frankreich der Lisztschüler St. Saëns (1835 — 1921), ein Künstler 
von glänzender Aufmachung, besonders in seinen Konzerten, aber 
ohne tieferen Gehalt. Schon zu Lebzeiten veraltet, wurde er durch den 
genialen Debussy und seine Schule vollständig in den Hintergrund ge— 
drängt. Unter den Italienern ragt Sgambati, auch ein Schüler Liszts, 
mit seinem Klavierkonzert und Kammermusik hervor. — 
Am reichsten aber findet die Klaviermusik in Rußland Pflege. 
Anton Rubinskein vor allem in seinem wirkungsvollen Dmoll— 
Konzert, besonders Tschaikowski mit seinem brillanten, rassigen 
Konzert für Klavier in Bmoll und vielen Solostücken sind 
hier bahnbrechend gewesen. Um sie gruppieren sich eine ganze Reihe 
anderer, wie César Cui, Borodin, Tanéjew, Glazounow, und vor 
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