Der neue Stil in Italien.
Der Dichter beider ersten Dramen, der „Dafne“ Peris und der
„Euridice*“ Caccinis war Rinuccini, dessen Texte immer wieder kom—
poniert wurden.
Bald zeigte sich aber, daß der gesunde Sinn der Musiker stärker
war als alle Theorie. Erst kaum merklich, dann immer sichtbarer
heben sich einzelne Stellen heraus, in denen der Künstler, bei aller
Beobachtung der Deklamation, doch auch sein Herz mitreden läßt.
Zugleich damit erkennen wir das Streben, solche Stellen auch formell
zu gestalten, ihnen eine geschlossene, abgerundete Fassung zu ver—
leihen. Einzelne Teile, in denen das Gefühlsmäßige gesteigert in die
Erscheinung tritt, werden bald als Aria abgegrenzt und hervor—
gehoben. Vorbilder hatte die Oper ja zur Genüge in den dieser
Entwickelung voraneilenden Madrigalen oder Motetten für
eine oder mehrere Solostimmen mit Instrumentalbegleitung.
Der erste, geniale Meister der neuen dramatischen Kunst ist
Claudio Monleverdi, geb. 1557 zu Cremona; seit 1613 Kapellmeister
an S. Marco in Venedig, wo er bis zu seinem Tode 1643 wirkte. Sein
Stil ist deklamatorisch, ganz nach den Grundsätzen der Florentiner
gestaltet. Dabei aber tritt das Gefühlsmäßige scharf hervor. An
empfindungsvollen Stellen erhebt sich das Rezitativ zu ariosem Ge—
sang, der immer mehr nach fester Form drängt. Das Streben nach
Formwerden ist schon in seinem ersten Drama, dem Orfeo (1607),
sichtbar. Schon erkennt man die Grundzüge der Arie (z. B. im Klage—
lied Orfeos). Monteverdi macht sich auch als der erste die reichen Klang—
mittel des Madrigalorchesters in der Oper dienstbar. Die Besetzung
im Orfeo ist eine überreiche. Mit Recht nennt Goldschmidt die Be—
handlung des Orchesters in diesem Werke „das Experiment eines
genialen, nach neuen Ausdrucksmitteln ausschauenden Geistes und
doch gleichzeitig die letzte groß gedachte Entfaltung des alten Instru—
mentenspiels, den Abschluß und Gipfelpunkt der älteren Entwicklungs—
phase, nicht aber den Ausgang zu einer neuen Gestaltung“. Der Fort—
schritt war erst möglich auf dem Wege der Vereinfachung. Daß Monte—
verdi dieses erkannt und in seinen späteren Werken selbst diesen Weg
zeigt, ist ein Verdienst, das ihm mit Recht den Namen des eigent—
lichen Begründers unseres Orchesters eingetragen hat.
Dieser Fortschritt kündigt sich zuerst in seinen kleineren Werken an, be—
sonders im „Ballo delle ingrate“ (1607) und am sichtbarsten im
„SCombattimento di rancgredi aus den Madrigali
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