Full text: Ästhetik, Akustik und Tonphysiologie, Tonpsychologie (2. Band)

Die Ästhetik der Alten. 
Ares erquickt sein Herz an tiefem Schlafe, indem er fernab zur Seite mal 
läßt die rauhe Schärfe der Lanze.“ Die ungebändigte, ungezügelte lehr 
Kraft hassen die Musen, sie lieben Maß und Harmonie. Sanfte Heiter— ist 
keit nennt Pindar das Wesen der Kunst. des 
Wir haben es bei diesen Dichtern doch nur mit gelegentlichen sich 
Erkenntnissen zu tun. Erst Sophokles fühlt das Bedürfnis, den wir 
inneren Gesetzen seiner Kunst nachzuspüren und ihr Wesen zu er— pyt 
gründen. Er schrieb eine eigene Abhandlung über den tragischen Ste 
Chor, der erste Versuch einer Theorie der Kunst. Er untersucht die fluf 
Werke des Aschylus und Euripides und beleuchtet sie von seinen 
Anschauungen aus in geistvoller Kritik. Aber auch sein eigenes mo 
Schaffen betrachtet er, wie Plutarch erzählt. Er teilt es in drei Stil— alle 
perioden wachsender Vervollkommnung und steigender Erkenntnis. erh 
Erst im letzten Stil hat er sich zur höchsten Stufe durchgerungen. Ger 
Dieser Stil war es, der, wie Aristophanes sagt, ihm die erste Stelle R 
unter den tragischen Dichtern eingeräumt hat. „Nicht an strengen und R 
herben Dichtern soll man sich erfreuen, ebensowenig wie an starken qus 
Pramnischen Weinen, die Augenbrauen und Magen zusammen⸗ 
ziehen, sondern an duftenden und milden, Nektar triefenden.“ Auch ist 
gill wieder als das Höchste das Ausgeglichene, das Maßhalten. Rat 
Sophokles zieht auch bereits das Verhältnis der einzelnen Künste 
zueinander in den Kreis seines Nachdenkens, und kommt zu dem als 
Schluß, daß der Dichter, der ja nur ein Phantasiebild malt, stärkere den 
Farben auftragen und greller malen dürfe, als der Maler, weil ja 
doch die Bilder der Fantasie an Lebhaftigkeit immer hinter der st e 
sinnlichen Anschauung zurückbleiben, „so daß, um der Lebhaftigkeit aus 
der sinnlichen Anschauung einigermaßen nachzukommen, mit sehr sol 
starken Reizen auf die Fantasie gewirkt werden muß“. Also eine der 
Anschauung, die mit der Lessings und seines Laokoon durchaus über— 
einstimmt. Be 
Das Streben all dieser ästhetischen Betrachtungen ging aber in 
schließlich immer mehr darauf aus, an die Stelle des mehr Gefühls— stell 
mäßigen die klare, intellektuelle Erkenntnis zu setzen und gesetzmäßig als 
auszudrücken. Das einzig Sichere und Wahre aber ist die Zahl. ebe 
Schon in der altägyptischen Kunst sehen wir das Streben nach kön 
einem, in bestimmten Zahlen ausdrückbaren Kanon. Es war natür-⸗ 
lich, daß Pythagoras (540-500 v. Chr.), dem die Zahl ja das Pro 
Maß und Wesen aller Dinge darstellt, auch die Schönheit nach mathe⸗
	        
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