Full text: Zend-Avesta oder über die Dinge des Himmels und des Jenseits (1. Band)

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IV. Die Seelenfrage. 
Hiermit hätten wir denn den Leib oder die materiellen Verhältnisse 
der Erde betrachtet, vergleichungsweise mit den unsern. Die Seele kam 
dabei noch nicht in Betracht; ja wir sind die ganze Erde nach allen 
Richtungen durchlaufen, ohne dabei auf Seele zu stoßen. Es könnte 
wirklich das Ansehen haben, die Seele fehlte. Aber rufen wir uns noch— 
mals zurück, daß wir andre als unsre eigene Seele überhaupt nicht sehen 
können. Also beginnt nun erst die Frage, ob wir nicht doch in dem, 
was wir sehen können, die Zeichen der an sich unsichtbaren Seele zu 
erblicken vermögen. 
Was aber haben wir gesehen? Fassen wir es nochmals kurz 
zusammen. 
Die Erde ist ein ebenso in Form und Stoffen, in Zweck- und 
Wirkungsbezügen zum Ganzen einheitlich gebundenes, in individueller 
Eigentümlichkeit sich in sich abschließendes, in sich kreisendes, andern 
ähnlichen, doch nicht gleichen Geschöpfen relativ selbständig gegenüber— 
tretendes, unter Anregung und Mitbestimmtheit durch eine Außenwelt 
sich aus sich selbst entfaltendes, eine unerschöpfliche Mannigfaltigkeit 
teils gesetzlich wiederkehrender, teils unberechenbar neuer Wirkungen 
aus eigener Fülle und Schöpferkraft gebärendes, durch äußere Nötigung 
hindurch ein Spiel innerer Freiheit entwickelndes, im einzelnen wechselndes, 
im ganzen bleibendes Geschöpf wie unser Leib. Oder vielmehr sie ist 
es nicht nur ebenso, sondern unsäglich mehr; ist alles das ganz, wovon 
unser Leib nur ein Glied, alles das dauernd, was unser Leib nur im 
Vorbeigehen, verhält sich dazu wie ein ganzer Baum zum einzelnen 
Schoß, ein verwickelter Knoten zur einzelnen Verschlingung darin, ein 
dauernder Leib zu einem vergänglichen kleinen Organe. 
Wenn aber die Erde in all dem uns nicht nur gleich steht, sondern 
uns überbietet, sich uns überordnet, uns aus und an sich hat, so kann, 
insoweit wir überhaupt aus Leiblichem auf Geistiges zu schließen haben, 
die Frage nicht mehr sein, welches Zeichen einer selbständigen, für sich 
seiende Seele wir in der Erde finden, sondern welches wir an ihr 
vermissen, ja welches wir nicht in eminenterem Grade an ihr als an 
uns finden. 
Ist nicht auch meine Seele ein in Form und Inhalt, in Zweck— 
und Wirkungsbezügen zum Ganzen einheitlich gebundenes, in individueller 
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