SALPETERSÄURE.
Die so gewonnene Säure enthält 99.5—99.8 Procent wasserfreie Säure, ist
farblos, raucht an der Luft, besitzt einen eigenthümlichen schwachen Geruch und
zieht mit grosser Begierde Feuchtigkeit aus der Luft an.
Sie wirkt sehr ätzend und erzeugt auf der Haut schmerzhafte Wunden. Bei
150% besitzt sie das specifische Gewicht 1.55; beginnt bei 86° zu sieden, wobei
sie eine theilweise Zersetzung in Wasser, Sauerstoff und Stickstoffdioxyd erfährt:
2HNO, = 2N0, + H,O + O0, in Folge dessen sie sich gelbroth färbt.
Diese Zersetzung der Salpetersäure findet in geringerem Grade schon bei
gewöhnlicher Temperatur im Sonnenlichte statt. Auf derselben, beziehungsweise der
leichten Abspaltung von Sauerstoff beruht auch die kräftige oxydirende Wirkung
der Salpetersäure, welche sie in Berührung mit leicht oxydablen Körpern schon
in der Kälte, schneller beim Erwärmen ausübt. Je nach der Natur des zu oxy-
direnden Körpers, der Concentration der Säure und der Temperatur ist die Menge
des abgegebenen Sauerstoffs eine wechselnde, so dass die Salpetersäure eine Re-
duction zu Stickstoffdioxyd (NO,), Stickstoffmonoxyd (NO), Stickoxydul (N,O) oder
auch zu Stickstoff und Ammoniak erfahren kann.
Unterwirft man Salpetersäure der Destillation, so geht zunächst eine stärkere
Säure über, während eine schwächere Säure zurückbleibt. Der Rückstand wird
immer schwächer, bis er eine 68procentige Säure enthält, welche bei 120.5°% un-
zersetzt überdestillirt. Dieselbe Säure wird erhalten, wenn man eine mit viel
Wasser verdünnte Säure destillirt, wobei anfänglich reines Wasser übergeht. Die bei
120.5° überdestillirende Säure ist keine einheitliche Säure, sondern ein Gemisch
der Hydrate HNO; + H,O und HNO; + 2 H, O0. /
' Mit Ausnahme von Gold und Platin, Iridium, Rhodium und Ruthenium, welche
von Salpetersäure nicht angegriffen werden, werden alle Metalle entweder in
salpetersaure Salze oder, wie Zinn und Antimon, in unlösliche Oxyde verwandelt.
Wegen ihres Verhaltens den Metallen gegenüber, die einen zu lösen, die anderen
nicht (Gold, Silber), hat man die Salpetersäure auch Scheidewasser genannt,
Auch andere Körper, wie Schwefel, Kohle, Phosphor und viele organische Körper,
werden von der Salpetersäure oxydirt. Organische Farbstoffe werden entfärbt,
stickstoffhaltige Körper, wie z. B. die menschliche Haut, werden gelb gefärbt
(Xanthoproteinsäure), andere, indem an Stelle von Wasserstoff die Nitrogruppe
eintritt, in sogenannte Nitrokörper verwandelt.
Mit Wasser vermag sich die Salpetersäure in allen Verhältnissen zu mischen.
Bei der Mischung der concentrirten Säure mit Wasser tritt Wärmeentwickelung
und Concentration ein, welche ihren Höhepunkt erreichen, wenn man 1 Molekül
Säure und 3 Mol. Wasser mischt.
Die folgende Tabelle gibt die specifischen Gewichte wässeriger Lösungen
von Salpetersäure nach J. KoLB bei 15°.
) Spec. Gew. S Proc, HNO; | _ Spec. Gew. Er Proc. HNO, | Spec. Cow. * Proc. HNO; S
1.007 au 23.6 1.321 50.7
1.014 2.6 1.152 24.9 1.334 52.9
1.022 4.0 1.161 26.3 | 1.346 55.0
1.029 5.1 1.171 27.8 1.359 57.3
1.036 6.3 1.180 20.2 1.37 59.6
1.044 7.6 1.190 30.7 1.384 61:7
1.052 9.0 1.199 82.1 1.398 64.5
1.060 0.2 1.210 33.8 1.412 67.5
1.067 11.4 1.221 35.5 1.4%6 70.6
1.075 12.7 1.231 37.0 1.440 74.4
1.083 14.0 1.242 38.6 1.454 78.4
1.091 15:3 1.252 40.2 1.470 83.0
1.10 16.8 | 1.264 41.5 1.485 87.1
1.108 18.0 1.275 43.5 1.501 92.6
1.116 19.4 1.286 45.0 1.516 96.0
1.125 20.8 1:298 47.1 1.524 98.0
1.134 22.2 1.309 48.6 1.530 100.0