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Differenzen ergeben sich übrigens in Bezug auf die Morgen- und Mittagstempe- Fü
ratur des Seebades, indem letztere fast immer mehrere Grade höher ist und A &
in dieser Beziehung der Lufttemperatur folgt, was sonst keineswegs immer der em
Fall ist. So dauert die höhere Temperatur der See nach vorausgegangenen heissen Jen
Tagen und eingetretener kühlerer Witterung oft an und kann dann die Luft-
temperatur um mehrere Grade (in Scheveningen nach MEss selbst‘ 6—7°) über- )
steigen. Ganz erstaunliche Schwankungen bieten sich übrigens an den nördlichsten X
Seebadeorten, z. B. in Visby, wo die Minima das freie Seebad selbst für Gesunde To}
unthunlich machen und Kranke nur auf warme Seebäder sich beschränken müssen ; si}
so zeigt der Juni als Maximum 22°, als Minimum 5°, der Juli Max, 24°, Min, 7°, Bla
der August Max. 21.5°, Min, 6.5°, wobei das Sinken theils auf Eisbergschmel- X
zungen, theils auf Ostwind zurückzuführen ist. Irlät
Zu dem chemischen und dem Kältereiz tritt schliesslich noch der als Haupt- Gle
factor der Wirkung der kalten Seebäder zu betrachtende Reiz der fortwährenden Iris
Bewegung des Wassers durch den Wellenschlag hinzu, der einerseits dazu führt, Mal
dass die Temperaturabnahme des Badenden eine bedeutendere wird, andererseits atlai
aber auch bewirkt, dass diese nicht so sehr empfunden wird, wie es ohne das she
fortwährende Frottiren der Haut geschehen würde. Auch der Einfluss der be- Ani
wegten Luft während des Bades ist nicht zu unterschätzen, und es ist eine völlig Von
erwiesene Thatsache, dass gerade bei weniger schönem Wetter und bewegtem gal
Meere, in Nordseebädern bei Nordwest-, West- und Südwestwinden, die besten Ali
Heileffeete erzielt werden. Beide Einflüsse, Wellenschlag und Luftbewegung, sind den
übrigens weit prägnanter an der Nordsee als an der Ostsee und am mittellän- Li
dischen Meere, weshalb auch eigentliche Seebadecuren vorzugsweise dort unter- dien
nommen werden. In Folge der grösseren Intensität der chemischen und mecha- Mas
nischen Reize sind übrigens die Nordseebäder angreifender und ihre Dauer ist In
gewöhnlichen Bädern gegenüber eine weit beschränktere, nicht über 5 Minuten tael
auszudehnende. 1
Von den Nordseebädern sind Ostende (Belgien), Scheveningen
(Holland) und die Inseln Helgoland (mitten im Meere gelegen) und N 0or- nr
derney (an der ostfriesischen Küste) die besuchtesten. Ausserdem gehören dahin See
Westerland und Wyk auf den zu Schleswig gehörenden Inseln Sylt und Föhr, Des
die friesischen Inseln Wangeroog, Spikeroog, Juist, Langeoog (mit ze
dem Hospiz des Klosters Locceum) und Borkum, an der oldenburgischen und Dre
ostfriesischen Küste, ferner Cuxhaven an der Elbemündung, Dangast am in
Jadebusen (Oldenburg), Zandpoort und Kattwyk: an der holländischen und ®
Blankenberghe an der belgischen Küste. Zu den Nordseebädern gehören auch (a
die Bäder an der englischen und schottischen Ostküste, wie Margate und :n
Ramsgate in der Grafschaft Sussex, Harvich in Essex, Portobello in der N
Grafschaft Edinburgh und St. Andrews in Fife, doch liegt die Mehrzahl Di
der englischen Bäder am Canal oder am irischen Meer. rn
Die durch landschaftliche Schönheit und Bewaldung vor der Nordseeküste aus- nl
gezeichnete deutsche Ostseeküste hat eine bedeutende Anzahl Bäder, Zu nennen Ö
sind Kranz (Ostpreussen), Zoppot und Westerplatte bei Danzig (West- /
preussen) an der preussischen. Küste, Dievenow und Misdroy auf der Insel
Wollin, Swinemünde, Heringsdorf und Zinnowitz auf der Insel Usedom,
Putbus, Stassnitz und Binz auf Rügen, Kolberg, Stolpmünde und
Rügenwalde an der pommerischen Küste, Boltenhagen, Doberan mit
Heiligendamm, Warnemünde, Müritz und Stuer im Mecklenburgischen,
Travemünde und Niendorf im Lübeckischen, Düsternbrook bei Kiel
und Borbye bei Eckernförde. Hieran schliessen sich die dänischen Seebäder
Marienlyst und Klampenborg auf Seeland, verschiedene livländische und
kurländische Seebäder, wie Libau, Windau, Bullen, Dubbeln, Assern
und Permau, Hapsal und Reval in’Esthland, Helsingfors und Neufinn-
Land in Finnland, endlich die Seebäder der schwedischen Ostküste, wie Visby,