Full text: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (3. Band)

Vorwort. 
„Glaube an einen Gott und an eine Unsterblichkeit der Seele 
sind nöthig, weil so viele Tausende unglücklich werden würden, wenn 
diese Grundsäulen erschüttert würden. Soll aber dieses das Kriterium 
der Unantastbarkeit sein, so werden wir statt zwei Säulen bald wieder 
eine ganze Colonnade haben. Ich habe einen sehr rechtschaffnen Mann 
gekannt, dem Thränen des Entzückens die Backen herabrollten, wenn 
er dachte, daß er dereinst die fünf Wunden berühren und seine Finger 
hineinstecken würde ꝛc. Man soll den innern Frieden der Gemüther 
nicht stören, also wenn man ihn nie stört, was geschieht Einem? und 
quaeritur ferner, wo geht denn das Stören an? und wer soll entschei— 
den, daß es angegangen sei? Mit einem Wort, es stellen sich hier alle 
die Plackereien ein, die überall mit dem Stehenbleiben auf halbem Wege 
verbunden sind. 
Daß die Seele nach dem Tode übrig bleibt, ist gewiß erst ge— 
glaubt und dann bewiesen worden. Dieses zu glauben, ist nicht 
seltsamer, als Häuser für einen einzigen Mann zu bauen, worin ihrer 
hundert Platz haben, ein Mädchen eine Göttin und ein gekröntes 
Haupt unsterblich zu nennen. 
Der Mensch wird ein Sophist und überwitzig, wo seine 
gründlichen Kenntnisse nicht mehr hinreichen; Alle müssen es folglich 
werden, wenn von Unsterblichkeit und Leben nach dem Tode die Rede 
ist. Da sind wir Alle ungründlich. Materialismus ist die Assymptote 
der Psychologie.
	        
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