Full text: Gedanken über Tod und Unsterblichkeit (3. Band)

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Metamorphose der Geschichte. 
Wie sich die Pflanz' ausdehnt erst, dann zusammen sich ziehet; 
Also entwickelt sich auch selber die Religion. 
Einzelner Gut ist sie erst, im Gemüth lebt still sie verborgen, 
Aehnlich dem Saamenkorn, das noch verborgen dem Licht; 
Aber bald bricht sie entzwei die enge Behausung des Herzens, 
Dringt in die offene Welt als ein entfalteter Baum, 
Und versammelt gewölbt zum Dom in die schattigen Räume, 
Mächtig umfassend die Welt, allerlei Volk und Geschlecht. 
Hat sie Früchte gebracht und erfüllt so ihre Bestimmung, 
Welche naturgemäß jeglichem Ding ist gesetzt, 
Zieht sie sich wieder zurück in die einsame Zelle des Herzens, 
Lichtscheu auf das Gefühl jetzo zusammengedrängt, 
Bis daß in des Gemüths Schlafkammer im Dunkel verschwindet, 
Was einst Weltsubstanz prangt' in dem feurigsten Licht. 
So war das Christenthum einst Substanz und herrschender Weltgeist, 
Aber anjetzt ist es nur — Affection des Gemüths. 
An die Puristen des Christenthums. 
Rein ist, ich geb' es Euch zu, das Christenthum, welches ihr lehret, 
Aber eben darum farblos und ohne Geschmack. 
Nothwendigkeit der Verfinsterung. 
Farb' ist irdisches Licht. Wie wurde das Christenthnm Weltgeist, 
Wurde natürlich das Licht jetzt auch zu Farben getrübt. 
Nothwendigkeit der Entstellung. 
Was Du in Dich aufnimmst, dem mischst Du verderblichen Saft bei, 
Sonst im Magen es liegt lästig und fremd, wie ein Stein. 
Als noch das Christenthum war unrein und enstellt durch den Zusatz 
Menschlicher Galle, da war's eben auch innerstes Gut.
	        
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