Full text: Darstellung, Entwicklung und Kritik der Leibnitz'schen Philosophie (5. Band)

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erlernen wir sie, sei es, daß wir sie aus ihrer Quelle ableiten , indem 
wir sie a priori durch Beweisgründe kennen lernen -- ein Zeichen „ daß 
sie uns eingeboren sind =- , oder sie an Erempeln erproben , wie es die 8 
gemeinen Arithmetiker machen , welche aus Mangel der Erkenntniß der f> 
Gründe ihre Regeln nur durch Tradition oder mechanisch erlernen. “ 7 
„Aber ist es nicht unvernüftig und seltsam , daß die schwierigsten und vm 
tiefsten Wissenschaften uns eingeboren sein sollen ? Die Erkenntniß der H 
Kraft nach ist uns eingeboren ; aber ihre wirkliche Erkenntniß ist uns R 
so wenig eingeboren , als es eingeborne Gedanken gibt ; denn die Ge- Z 
danken sind Handlungen , die Erkenntnisse aber und Wahrheiten , inso- iht 
fern sie in uns sind , selbst wenn wir nicht an sie denfen , sind nur in 
uns wie Fertigkeiten oder Anlagen oder natürliche Kräfte.“ nv 
„Die Erkenntniß liegt in uns, wie die in den Adern des Marmors vor- „ 
gezeichnete Figur schon im Marmor ist, auch ehe man sie bei der Arbeit 
darin entdeckt. Wenn aber die Seele einer tabula rasa gliche, so wären 
die Wahrheiten in ihr, wie die Herkules - Figur in dem Marmor ist, 
wenn er ganz und gar dagegen gleichgültig ist , ob er diese oder irgend 
eine andere Figur bekommt. Aber wenn der Stein Adern hätte, welche 
vorzugSweise vor andern Figuren die Figur des Herkules andeuteten, 
so wäre er dazu wie bestimmt , und Herkules wäre gewissermaßen dem 
Marmor eingeboren, ob es gleich Mühe kostete , die Adern zu entde>ken 
und durch die Politur zu reinigen. Gerade so ist es nun mit den ein- 
gebornen Wahrheiten und Ideen.“ 
Allerdings gehen, wie Loke behauptet, die Ideen oder Begriffe den 
Wahrheiten voran. „Die Natur der Wahrheiten hängt von der Natur 
der Ideen ab. Aber die Quellen der nothwendigen Wahrheiten sind 
die intellektuellen oder Vernunftideen , die nicht von den Sinnen her- 
kommen; obwohl im Grunde alle Handlungen der Seele aus ihrer 
eigenen Tiefe entsprigen, durch die Sinne nur erregt, aber nicht gegeben 
werden. “ „Selbst Loke gibt zu, daß nicht alle Ideen aus den Sinnen 
entspringen , sondern welche aus der Reflexion kommen. Aber die
	        
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