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Gott zu gefallen und ihn zu suchen ).“ Aber die Liebe liebt eben den
Menschen im Menschen und fesselt den Menschen an den Menschen.
Der Liebe ist das Irdische das Himmlische, die Seligkeit, die sie in sich
selbst findet, die höchste Seligkeit. Die Liebe erhebt das Endliche zum
Unendlichen. Dante indentificirt seine Beatrice mit der Theologie.
Petrarca feiert die Laura in seinen Sonetten und Canzonen als seine
allgegenwärtige Göttin; nur die Liebe zu ihr ist der Puls seiner poeti⸗
schen Ader. Sang er diese Lieder als Katholik? Kamen sie aus seinem
katholischen Glauben, oder stimmten sie mit ihm zusammen? Ja wohl
seine Reue über diese Gedichte, seine Bitte an den heiligen Augustin,
d. h. an die Personification seines katholischen Gewissens, dieselben ihm
zu vergeben, aber nicht der Geist, der diese Lieder schuf, kam aus dem
Katholicismus.
So wenig Leo X., obwohl Papst, in seinen Neigungen, seiner
Denkart, kurz in seinem Wesen, dem Wesen des Katholicismus ent—
un. sprach, so wenig entspricht diesem die Kunst als solche, so sehr sie auch
r von der katholischen Kirche gehegt und gepflegt wurde. Die Schönheit
Ninu⸗ ist die wesentliche Kategorie, die Gattung der Kunst — heidnische Kraft
und christliche Demuth sind ihr als Arten untergeordnet — auch der
christliche Künstler muß das Christliche nicht als ein Christliches, son⸗
Wt alt. dern als ein Schönes aus sich herausgebären und darstellen; sein
Werk wird und muß auch den Nicht-Christen, wofern er nur Kunstsinn
und Verstand hat, ansprechen. Ein Werk, das nur für einen Chri—
sten schön wäre, das wäre auch nicht ein vollendetes Werk. Die Kunst
erhebt ihre Gegenstände über die Schranke der besondern Religion in
die Sphäre der allgemeinen Menschlichkeit. Was ein wahres Kunst—
werk ist, gehört keiner Kirche, keiner besondern Religion mehr an. Das
wahre Kunstwerk ist ein Vereinigungspunkt der gesammten Menschheit.
Der Künstler verherrlicht auch in den Werken, welche er ausdrücklich
* *) Pensses de Ar. P. (Pensées chrétiennes.)