Full text: Pierre Bayle (6. Band)

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Menschheit liegt aber — ein Punkt, den wir hier jedoch nur an-⸗ nicht ausführen, ob⸗ 
wohl die nöthigen Voranstalten dazu getroffen wurden — in der Bedeutung, die dem 
Glauben im Christenthum gegeben wurde. Nur der Glaube macht selig; der Glaube 
ist jedoch nicht ohne gute Werke — höchst bezeichnend sind die guten Werke an die 
Stelle der Tugenden getreten — ein Glaube ohne gute Werke ist ein falscher Glaube. 
Aber, abgesehen von den Sophismen, die hierin liegen, die Tugend wird da zu einer 
Nebensache gemacht, dem Menschen aus den Augen und dem Sinn entrücket, wo 
sie nicht selbst zum Princip erhoben wird. Sie wirkt und ist nur, wo sie den ersten, 
aber nicht, wo sie den zweiten Platz einnimmt. Aut Caesar aut nihil, so spricht auch 
die Tugend. Die Epikuräer sagen auch: das Vergnügen macht selig, allein das Ver— 
gnügen ist nicht ohne Tugend. Aber sie hatten gleichwohl ein unstttliches Princip, 
weil sie der Tugend nicht den ersten Rang gaben. Non est, inguit, voluptas sine 
virtute. Sed quare ante virtutem est? De ordine putas disputationem esse? 
* De re tota et de potestate ejus ambigitur; non est virfus, si sequi potest. . . . ducere 
4 dehet (sSen De benef. 1 V. 8 2) 
23) Der Begriff des eigentlichen, früher sogenannten spekulativen, Atheismus 
in besteht lediglich, streng genommen, in der Läugnung des Daseins Gottes. Obgleich 
der Atheist, wie denn dies überhaupt bei der Polemik und Negation der Fall ist, daß 
3 mit der empirischen Erscheinung auch das Wesen negirt wird, mit dem Dasein auch das 
Wesen läugnet: so hat diese Negation doch nicht die Bedeutung des ursachlichen, wah— 
ren, sondern eines consecutiven Uebels, so ist doch sein specifischer Begriff, seine 
charakteristische Stellung in der Geschichte nur dieser, daß er das Dasein aufhebt. 
Er hebt nicht das Dasein Gottes auf, weil er das Wesen desselben aufhebt, sondern 
nur deßwegen — nolens volens — das Wesen auf, weil er das Dasein aufhebt. 
l Das Sein Gottes war ein durchaus empirischer Begriff. Die Frage: ist Gott? 
in hatte ihren technischen Ausdruck in der Frage: gibt es einen Gott? sie war iden— 
tisch, dem Begriffe des Seins nach, selbst noch in andern, hier aber gleichgültigen 
Ann lunn Beziehungen, mit der Frage: gibt es Geister, gibtes Teufel? Die Frage 
ut, stiz nach dem Sein Goltes war also eine Frage nach dem Sein im Sinne eines Seins, 
sist vrhn. welches einen Plural hat, eines Seins, deßgleichen es noch mehreres gibt, eines eigent— 
en d lichen Außeruns seins, deßgleichen diesen sinnlichen Dingen außer uns zukommt, 
unnbb kurz die Frage nach einem äußerlich objektiven, partikulären, empirischen Sein, 
tlrlihen nach einem Dasein. Es war ein Sein, welches das Wesen des sinnlichen Seins 
an sich hatte, ohne doch die Zeichen desselben zu haben, dessen Gewährsmann daher 
allein der Sinn, an sich, der Natur dieses Seins nach, gewesen wäre. Dieser Wider— 
u spruch, der Widerspruch eines Seins, das seinem Begriffe nach ein Erfahrungs— 
objekt war, mit der wirklichen Erfahrung, die dieses Sein doch nicht zeigte, war der 
* Grund des Atheismus. Er bezweifelte, er läugnete daher nur ein seiner Natur nach 
qhlholtln bezweifelbares, läugbares Sein — er läugnete nicht an sich das Göttliche, er 
in ẽr läugnete vielmehr nur einen atheistischen Begriff, wie in der That der Begriff des 
Seins war — daher auch Bayle vollkommen Recht hatte zu behaupten, daß der Glaube 
h an Gott, als welcher sich eben auf diesen Begriff der Existenz stützte, ohne Einfluß 
auf den Menschen wäre, weil dieser Glaube selbst kein Akt der Erhebung, kein geistiger 
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