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was sich übrigens von selbst versteht, der Gang in der Religionsge—
schichte auch meinem Gang in der Psychologie, in der Philosophie, in
der Menschheitsentwickelung überhaupt entspricht. Wie mir die Natur
der erste Gegenstand der Religion, so ist mir auch in der Psychologie,
in der Philosophie überhaupt das Sinnliche das Erste; aber das Erste
nicht nur im Sinne der speculativen Philosophie, wo das Erste das be⸗—
deutet, worüber hinausgegangen werden muß, sondern das Erste im
Sinne des Unableitbaren, des durch sich selbst Bestehenden und Wahren.
So wenig ich das Sin nliche aus dem Geistigen ableiten kann, so
wenig kann ich aus Gott die Natur ableiten; denn das Geistige ist
nichts außer und ohne das Sinnliche, der Geist ist nur die Essenz, der
Sinn, der Geist der Sinne. Gott ist aber nichts Andres als der Geist
im Allgemeinen gedacht, der Geist abgesehen vom Unterschied zwischen
Mein und Dein. So wenig ich daher den Leib aus meinem Geiste —
denn ich muß, um gleich ein Beispiel zu geben, eher essen oder essen kön⸗
nen, als ich denke, aber nicht eher denken, als ich esse, ich kann essen,
ohne zu denken, wie die Thiere beweisen, aber nicht denken, ohne zu
essen, — so wenig ich die Sinne aus meinem Denkvermögen, aus der
Vernunft ableiten kann denn die Vernunft setzt die Sinne voraus,
aber nicht die Sinne die Vernunft, denn den Thieren sprechen wir die
Vernunft, aber nicht die Sinne ab, — so wenig, ja noch weniger kann
ich aus Gott die Natur ableiten. Der Wahrheit und Wesenhaftigkeit
oder Goͤttlichkeit der Natur, von welcher die Religionsphilosophie und
Religionsgeschichte ausgeht, entspricht daher die Wahrheit und Wesen—
haftigkeit der Sinne, von welcher die Psychologie, die Anthropologie,
die Philosophie überhaupt ausgeht. Und so wenig die Natur eine vor—
übergehende Wahrheit in der Geschichte der Religion, so wenig ist die
5 Wahrheit der Sinne eine vorübergehende in der Philosophie. Die
Un Eeitn Sinne sind vielmehr die bleibende Grundlage, auch wo sie in den Ab—
ht ich nun stractionen der Vernunft verschwinden, wenigstens in den Augen Derer,
gun dis welche, so wie sie an das Denken kommen, nicht mehr an die Sinne