Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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denken, vergessen, daß der Mensch nur vermittelst seines sinnlich existi— 
renden Kopfes denkt, die Vernunft an dem Kopf, dem Hirn, dem Sam— 
melpunkt der Sinne einen bleibenden sinnlichen Grund und Boden hat. 
Die Naturreligion demonstrirt uns die Wahrheit der 
Sinne, und die Philosophie, wenigstens die sich als Anthropo⸗ 
logie weiß, demonstrirt uns die Wahrheit der Naturreli— 
gion. Der erste Glaube des Menschen ist der Glaube an die Wahr— m 
heit der Sinne, kein den Sinnen widersprechender Glaube, wie der i 
theistische und christliche Glaube. Der Glaube an einen Gott, d. h. 
an ein unsinnliches Wesen, ja ein Wesen, welches alles Sinnliche als 
etwas Profanes von sich ausschließt, verneint, ist nichts weniger als un 
etwas unmittelbar Gewisses, wie so häufig der Theismus behauptet wod 
hat. Die ersten, unmittelbar gewissen Wesen, eben darum auch die l 
ersten Götter des Menschen sind die sinnlichen Gegenstände. Cäsar 
sagt von der Religion der Deutschen: sie verehren nur die Wesen, die J 
sie sehen und von denen sie augenscheinliche Wohlthaten beziehen. 
Dieser so sehr bekritelte Satz des Cäsar gilt von allen Naturreligionen. 
Der Mensch glaubt ursprünglich nur an die Existenz von dem, was sein 
Dasein durch sinnliche, fühlbare Wirkungen und Zeichen beurkundet. 
Die ersten Evangelien, die ersten und untrüglichsten, durch keinen Prie— 
sterbetrug entstellten Religionsurkunden des Menschen sind seine Sinne. 
Odervielmehr diese seine Sinne sind selbst seine ersten 
Götter; denn der Glaube an die äußeren, sinnlichen Götter hängt ja 
nur ab von dem Glauben an die Wahrheit und Göttlichkeit der Sinne; 
in den Göttern, die sinnliche Wesen sind, vergöttert der Mensch nur 
seine Sinne. Indem ich das Licht als ein göttliches Wesen verehre, so 
spreche ich ja darin und damit, indirect und unbewußt freilich, nur die 
Goͤttlichkeit des Auges aus. Das Licht oder die Sonne oder der Mond 
ist nur ein Gott, ein Gegenstand für das Auge, nicht die Nase; der 
Cultus der Nase besteht in himmlischen Düften. Das Auge macht die 
Götter zu Licht⸗, Glanz⸗, Scheinwesen, d. h. es vergöttert nur augen⸗
	        
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