Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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stimmten, festgesetzten Tagen und Stunden ein. Ich kann überhaupt 
nur darüber reden und schreiben, worüber es mir der Mühe werth 
scheint zu reden und zu schreiben. Des Redens und Schreibens werth 
ist mir aber nur das, was entweder sich nicht von selbst versteht, oder 
nicht schon von Andern erschöpft ist. Ich greife daher von einem Gegen⸗ 
stande, selbst in der Schrift, immer nur das auf, worüber sich Nichts, 
wenigstens nichts mich Befriedigendes, Erschöpfendes in anderen Büchern 
findet, das Uebrige lasse ich bei Seite liegen. Mein Geist ist daher aller⸗ 
dings ein aphoristischer, wie mir meine Kritiker vorwerfen, aber ein 
aphoristischer in ganz anderem Sinne, und aus ganz anderen Gründen, 
als sie meinen: ein aphoristischer Geist, weil ein kritischer, d. h. das 
Wesen vom Schein, das Nothwendige vom Ueberflüssigen unterscheiden⸗ 
der Geist. Ich habe endlich viele Jahre, zwölf volle Jahre, in laͤndlicher 
Einsamkeit verlebt, beschäftigt einsig mit Studien und schriftstellerischen 
Arbeiten, und habe darüber die Gabe der Rede, des mündlichen Vor— 
trags verloren, oder doch auszubilden verabsäumt, denn ich habe nicht 
daran gedacht, daß ich je wieder, — ich sage wieder, denn ich hatte 
allerdings in früheren Jahren Vorlesungen an einer baierischen Univer— 
ir sität gehalten —, am allerwenigsten in einer Universitätsstadt das münd⸗ 
liche Wort als Organ meiner Wirksamkeit ergreifen würde. Die Zeit, 
in der ich der akademischen Laufbahn in meinem Geiste für immer Adieu 
in sagte und auf dem Lande lebte, war eine so schrecklich traurige und 
düstere Zeit, daß ein solcher Gedanke nimmer in mir aufkommen konnte. 
Es war dies jene Zeit, wo alle öffentlichen Verhältnisse so vergiftet und 
verpestet waren, daß man seine geistige Freiheit und Gesundheit nur da— 
durch wahren konnte, daß man auf jeden Staatsdienst, auf jede öffent— 
liche Rolle, selbst die eines Privatdocenten verzichtete, wo alle Beförde— 
rungen zum Staatsdienst, alle obrigkeitliche Erlaubniß, selbst die Venia 
docendi nur der Preis des politischen Servilismus und religiösen Ob— 
* scurantismus war, wo nur das schriftliche wissenschaftliche Wort frei 
war; aber auch nur frei in einem höchst beschränkten Maß und nur 
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