Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

nicht aus den Individuen, sondern umgekehrt diese aus jenen entsprin⸗ 
i gen läßt. Das Allgemeine als solches, der Gattungsbegriff existirt 
aber im Denken und für das Denken; daher kommt es also, daß der 
Mensch auf den Gedanken und Glauben kommt, die Welt sei aus den 
Ideen, aus den Gedanken eines geistigen Wesens entsprungen. Auf 
dem Standpunkt des von den Sinnen absehenden Denkens erscheint 
auch nichts natürlicher, als dieser Gang; denn dem von den Sinnen 
abstrahirenden Geiste liegt das Abstracte, das Geistige, das nur Ge— 
dachte näher, als das Sinnliche; es ist für ihn früher und höher, als 
dieses, daher ganz natürlich für ihn, das Sinnliche aus dem Geistigen, 
das Wirkliche aus dem Gedachten entspringen zu lassen. Wir finden 
ja diesen Gang selbst noch bei den modernen, speculativen Philosophen. 
Diese erschaffen noch heute, wie einst der christliche Gott, aus ihrem 
Kopf die Welt. 
Der Glaube oder die Vorstellung, daß die Welt, die Natur von 
einem denkenden oder geistigen Wesen überhaupt hervorgebracht sei, hat 
aber noch einen andern als diesen eben angeführten Grund, welchen wir 
den philosophischen oder speculativen nennen können im Unterschiede 
von dem jetzt anzuführenden populären Grund. Es ist dieser. Der 
Mensch bringt Werke außer sich hervor, denen im Menschen der Gedanke 
derselben, der Entwurf, der Begriff vorausgegangen ist, und eine Ab— 
sicht, ein Zweck zum Grunde liegt. Wenn der Mensch ein Haus baut, 
so hat er eine Idee, ein Bild im Kopfe, wornach er baut, welches er 
verwirklicht, außer sich in Stein und Holz verwandelt oder übersetzt, 
und eben so hat er einen Zweck dabei; er baut sich ein Wohnhaus oder 
Gartenhaus oder Fabrikgebäude; kurz er baut sich ein Haus zu diesem 
oder jenem Zwecke. Und dieser Zweck bestimmt die Idee des Hauses, 
die ich in meinem Kopf entwerfe; denn ein Haus zu diesem Zwecke denke 
ich mir anders, als ein Haus zu einem anderen Zwecke Ueberhaupt 
ist der Mensch ein nach Zwecken thätiges Wesen; er thut nichts, wobei 
er nicht einen Zweck hat. Der Zweck ist aber im Allgemeinen gar 
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