Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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oder Wesen ursächliche Selbstthätigkeit zu. Namentlich gilt dies nun von 
dem abendländischen und insbesondere von dem germanischen Menschen, 
dessen höchste Begriffe Selbstthätigkeit, Freiheit und Selbstständigkeit 
sind, Eigenschaften, die er aber sich absprechen müßte, wenn außer Gott 
nichts selbstthätig wäre. Der Abendländer unterbricht daher durch seinen 
eingeborenen Hang zu verständiger Selbstthätigkeit die Consequenzen 
seiner Religion, seines Gottesglaubens, während der Orientale seiner 
Natur gemäß, den Consequenzen des Glaubens an Gott keine Schran— 
ken entgegensetzt, sich daher seiner Freiheit und selbst seines Verstandes 
beraubt, sich unbedingt dem Fatum des göttlichen Rathschlusses unter— 
soh d wirft, um seinem Gott die Ehre anzuthun, daß er nicht nur die erste 
p Ursache ist, wie die klugen, egoistischen, rationalistischen Abendländer 
sagen, sondern auch die einzige Ursache, das einzige selbstthätige und 
wirkende Wesen. Einige Beispiele führte ich schon in der vorletzten 
Stunde aus dem Muhamedanismus an; freilich giebt es auch muha— 
medanische, überhaupt orientalische Philosophen und Theologen, welche 
den Dingen außer Gott Selbstthätigkeit zuschreiben, aber die entgegen— 
gesetzte Anschauung ist die herrschende oder doch die charakteristische. 
Gott, sagt z. B. der rechtgläubige muhamedanische Philosoph Algazel 
— eine Stelle, die ich der früheren beifüge — „Gott ist die einzige wir— 
kende Ursache in der ganzen Natur; durch diese ist es eben so möglich, 
daß das Feuer das Werg berührt, ohne daß dieses verbrennt, als daß 
das Werg verbrennt ohne Berührung des Feuers. Es giebt keinen Na— 
turlauf, kein Naturgesetz; der Unterschied zwischen Wundern und natür— 
lichen Begebenheiten ist nichtig“. Die abendländische Theologie laborirt 
daher an dem erwähnten Widerspruch auch selbst in den streng- und 
rechtglaͤubigsten Köpfen. Freilich liegt dieser Widerspruch im Wesen der 
Theologie; denn ist ein Gott, so ist eine Welt unnöthig und umgekehrt. 
Wie sollen also diese sich gegenseitig ausschließenden Wesen in ihren 
Thätigkeiten sich vertragen und vereinigen können? Die Thätigkeit Gottes 
hebt die Thaͤtigkeit der Welt und umgekehrt die Thätigkeit der Welt jene 
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