Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

213 
eine Welt ohne alle Leiden und Mängel schaffen könne. Darum glaubt 
ja der Christ an eine zukünftige Welt, in der das wirklich der Fall ist, 
in der wirklich das beseitigt ist, was der Atheist als Beweis anführt, 
daß die Welt keinen göttlichen Ursprung hat. Ja, die alten Christen 
hatten diese Welt schon im Paradies. Wenn Adam im Stande seiner 
Unschuld, seiner Vollkommenheit, mit der er aus Gottes Händen kam, ge— 
blieben wäre, so wuüͤrde sein Körper unzerstörbar und unverwundbar, die 
Natur uͤberhaupt von allen den Uebeln und Mängeln, mit denen sie jetzt 
behaftet ist, verschont geblieben sein. Alle die Gründe, mit welchen die 
Theisten die Uebel der Welt, d. h. hier der natürlichen, nicht der buͤrger— 
lichen, rechtfertigen, gelten nur, wenn man die Natur als den Grund der 
Existenz der Dinge annimmt, die Natur als erste Ursache denkt, aber nicht, 
wenn man einen Gott als Urheber der Welt annimmt. Allen Theodiceen, 
allen Rechtfertigungen Gottes liegt daher auch in der That, sei es nun 
in bewußt oder unbewußt, die Natur als etwas Selbstständiges zu Grunde; 
sie beschrͤnken Gottes Thätigkeit, Gottes Allmacht durch das Wesen 
und die Wirkung der Natur, die Freiheit Gottes, die doch die Welt 
ganz anders hätte schaffen können, als sie ist, durch die Vorstellung der 
Nothwendigkeit, die doch nur aus der Natur stammt, nur auf sie paßt. 
Dies zeigt sich besonders auch in den herrschenden Vorstellungen von 
der Vorsehung. So erließ z. B. der Erzbischof von Paris 1846 einen 
Brief, worin er die Gläubigen zu Gebeten auffordert, „auf daß bei 
der Papstwahl keine fremdartigen Einflüsse Gottes gnä— 
digen Absichten widerstreben möchten“. So erließ vor Kurzem 
(Januar 1849) der König von Preußen einen Armeebefehl, worin es 
heißt: „in dem verflossenen Jahr, wo Preußen der Verführung und 
dem Hochverrath ohne Gottes Hülfe erlegen wäre, hat meine 
i Armee ihren alten Ruhm bewährt und neuen geerntet“. Aber was ist 
fu das für ein schwaches Wesen, dessen gnädigen Absichten fremdartige Ein— 
ehle⸗ flüsse widerstreben und widerstehen können! Was ist das für eine Hülfe 
Gottes, die ohne Bajonette und Shrapnels keine Kraft und keinen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.