er würde sie doch gleichwohl nicht religiös verehren, nicht anbeten, wenn
er nicht die Sonne sich vorstellte als ein Wesen, das sich von freien
Stücken, wie der Mensch, am Himmel bewegt, wenn er nicht die Wir—
kungen der Sonne sich vorstellte als freiwillige Gaben, die aus reiner
Güte sie der Erde spendet. Würde der Mensch die Natur ansehen als
das, was sie ist, mit den Augen, womit wir sie ansehen, so würde aller
Beweggrund zu religiöser Verehrung hinwegfallen. Das Gefühl, das
den Menschen zur Verehrung eines Gegenstandes treibt, setzt ja voraus,
daß der Gegenstand für diese Verehrung nicht unempfindlich, daß er also
Gefuͤhl, daß er ein Herz und zwar ein menschliches, für die menschlichen
Angelegenheiten empfindliches Herz hat. So flehten die Griechen im
Perserkrieg mit Opfern die Winde an, aber nur, weil sie dieselben für
ihre Mitkämpfer, ihre Bundesgenossen gegen die Perser ansahen. Die
Athener verehrten besonders den Boreas, den Nordwind und baten ihn
um seinen Beistand, aber sie betrachteten ihn auch, wie Herodot erzählt,
als ein ihnen befreundetes, ja verwandtes Wesen, denn er hatte die
Tochter ihres Königs Erechtheus zur Frau. Was ist denn nun aber
das, was einen Naturgegenstand in ein menschliches Wesen umschafft?
Die Phantasie, die Einbildungskraft. Sie ist es, die ein Wesen uns
anders darstellt, als es in Wirklichkeit ist; sie ist es, welche die Natur
dem Menschen in jenem, den Verstand be- oder verzaubernden, das Auge
u blendenden Lichte erscheinen läßt, für welches die menschliche Sprache
1*8 den Ausdruck: Göttlichkeit, Gottheit, Gott erfunden hat; sie also ist es,
bn t Rih⸗ welche die Götter der Menschen erschafft. Ich habe schon gesagt, daß
das Wort Gott, Gottheit ursprünglich nur ein Allgemeinname, aber
kein Eigenname ist, daß das Wort Gott ursprünglich kein Subject, son—
dern nur ein Prädicat, d. h. kein Wesen, sondern eine Eigenschaft aus—
. drückt, die auf jeden Gegenstand paßt oder angewendet wird, welcher
¶n Ciand⸗ eben dem Menschen im Lichte der Phantasie als ein göttliches Wesen er—
u scheint, welcher auf den Menschen, so zu sagen, einen göttlichen Eindruck
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