Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

tes, wie die alten, gläubigen Christen die Bibel nannten, welche sie als 
eine besondere Offenbarung Gottes der Natur entgegensetzten — nicht 
auf die Macht der Sinnlichkeit, wie die Heiden, welche der Macht der 
sinnlichen Liebe und Zeugungskraft das Dasein, die Schöpfung der 
Welt zuschrieben, sondern auf die Macht des Wortes: Gott sprach: 
„es werde Licht, und es ward Licht“, es werde die Welt, und es ward 
die Welt. „Gottes Wort, sagt Luther, ist also eine köstliche theure 
Gabe, welche Gott hoch hält und achtet, daß er auch Himmel und Erden, 
Sonne, Mond und Sterne gegen diese Worte für nichts hält, denn 
durch das Wort sind alle Creaturen erschaffen.“ „Himmel und 
Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht ver— 
gehen“ Oder, da das Wort (subjectiv für den Menschen) durch das 
Gehoͤr vermittelt ist, so kann man sagen, wie ich schon früher im Vor— 
beigehen bemerkte, daß sich die christliche Religion auch auf den Sinn 
stützt; aber nur auf das Ohr. „Nimm das Wort weg, sagt in seiner 
christlichen Religionslehre Calvin, und es bleibt kein Glaube übrig.“ 
„Obgleich der Mensch, sagt derselbe, seine Augen ernstlich auf die Be— 
trachtung der Worte Gottes (d. i. der Natur) wenden soll, so muß er 
doch vor Allem oder insbesondere die Ohren auf das Wort richten, 
denn das in der herrlichen Form der Welt eingedrückte Bild Gottes ist 
nicht wirksam genug.“ Eben deswegen eifert Calvin auch gegen jedes 
körperliche Bild von Gott, weil seine Majestät nicht von dem Auge ge⸗ 
faßt werden konne, und verwirft den von der zweiten Nicenischen Sy⸗ 
node ausgesprochenen Satz, daß „Gott nicht durch das Anhören des 
Wortes allein, sondern auch durch den Anblick der Bilder erkannt 
werde.“ Cornelius Agrippa von Nettesheim sagt in seiner Schrift von 
der Ungewißheit und Eitelkeit der Wissenschaften: „Wir (nämlich 
Christen) dürfen nicht lernen aus dem verbotenen Buch der Bilder, son— 
dern aus dem Buch Gottes, welches ist das Buch der h. Schrift. Wer 
also Gott kennen lernen will, der suche ihn nicht in den Bildern der 
Maler und Bildhauer, sondern forsche, wie Johannes sagt, in der 
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