Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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Einundzwanzigste Vorlesung. 
Ehe ich in dem Thema der gestrigen Vorlesung fortfahre, muß ich 
einem möglichen Mißverständniß vorbeugen, welches ich nur deswegen 
gestern nicht berührte, um mich nicht im Lauf meiner Entwicklung zu 
unterbrechen. Ich habe gesagt, daß eben so, wie die Götter, die Gegen— 
staͤnde des heidnischen Glaubens, so auch die Gegenstände des christli— 
chen Glaubens Erzeugnisse der Einbildungskraft seien. Hieraus kann 
man nun folgern und hat man in der That gefolgert, daß die biblische 
Geschichte sowohl des Alten und Neuen Testamentes pure Fabel, pure 
Erdichtung sei. Aber keineswegs ist diese Folgerung gerechtfertigt, denn 
ich behaupte nur, daß die Gegenstände der Religion so, wie sie ihr 
Gegenstand sind, Wesen der Einbildungskraft, nicht aber, daß diese 
Gegenstände an und für sich selbst Einbildungen sind. So wenig 
aus der Behauptung, daß die Sonne, wie sie die heidnische Religion vor— 
stellt, nämlich als ein persönliches, göttliches Wesen, daß also der Son⸗ 
nengott ein eingebildetes Wesen ist, folgt, daß die Sonne selbst auch 
ein eingebildetes Wesen ist, so wenig ist aus der Behauptung, daß der 
Moses, wie ihn die jüdische Religionsgeschichte, der Jesus, wie ihn die 
christliche Religion und Religionsgeschichte des Neuen Testamentes dar— 
stellt, Wesen der Einbildungskraft sind, zu folgern, daß deswegen Moses 
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