Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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und Jesus an und für sich selbst keine geschichtlichen Personen gewesen. 
Denn zwischen einer Person als geschichtlicher und religiöser ist derselbe 
Unterschied, wie zwischen dem natürlichen Gegenstand als solchem 
und demselben, wie ihn die Religion vorstellt. Die Phantasie erzeugt 
nichts aus sich, sonst mußten wir an eine Schöpfung aus Nichts glau— 
ben, die Phantasie entzündet sich nur an natürlichen und geschichtlichen 
Stoffen. So wenig der Sauerstoff ohne einen Brennstoff die das Auge 
entzückende Erscheinung des Feuers erzeugt, (9) so wenig erzeugt die 
Einbildungskraft ohne einen gegebenen Stoff ihre religiösen und poeti⸗ 
schen Gestalten. Aber eine geschichtliche Person, wie sie Gegenstand 
der Religion, ist eben eine nicht mehr geschichtliche, eine von der Ein⸗ 
bildungskraft umgeformte Person. Ich läugne also nicht, daß ein Jesus 
gewesen, eine historische Person also war, der die christliche Religion 
ihren Ursprung verdankt, ich läugne nicht, daß er gelitten für seine Lehre; 
aber ich läugne, daß dieser Jesus ein Christus, ein Gott oder Gottes— 
sohn, ein von einer Jungfrau geborenes, wunderthätiges Wesen ge— 
wesen sei, daß er Kranke durch sein bloßes Wort geheilt, Stürme durch 
seinen bloßen Befehl beschwichtigt, Todte, die schon der Verwesung nahe 
waren, erweckt, und selbst von dem Tode auferweckt worden sei, kurz 
ich läugne, daß er so gewesen ist, wie ihn die Bibel uns darstellt; denn 
in der Bibel ist Jesus kein Gegenstand der schlichten, historischen Er— 
zählung, sondern der Religion, also keine geschichtliche, sondern religiöse 
Person, d. h. ein in ein Wesen der Einbildung, der Phantasie umge⸗ 
setztes und umgewandeltes Wesen. Und ein thörichtes oder wenigstens 
unfruchthares Bestreben ist es, die geschichtliche Wahrheit von den Zu⸗ 
saͤtzen, Entstellungen und Uebertreibungen der Einbildungskraft scheiden 
zu wollen. Es fehlen uns hierzu die historischen Mittel. Der Christus, 
der oder wie er uns in der Bibel überliefert ist — und wir wissen von 
keinem andern — ist und bleibt ein Wesen, ein Geschopf der menschli— 
chen Einbildungskraft. 
Die Einbildungskraft, welche die Götter des Menschen schafft,
	        
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