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despotisch oder monarchisch gebietenden Menschen ist also das, wovon
der Monotheist ausgeht, ist das Urbild seiner Phantasie, seiner Einbil—
dungskraft. Der Polytheist vergöttert indirect den menschlichen Geist,
die menschliche Phantasie, denn die Naturdinge werden ihm ja nur
durch seine Phantasie zu Göttern, der Monotheist aber direct, geradezu.
Der monotheistische oder christliche Gott ist daher, was zu beweisen waxr,
eben so gut ein Product der menschlichen Phantasie, eben so ein Bild
des menschlichen Wesens, als der polytheistische, nur daß das menschliche
Wesen, wornach der Christ sich seinen Gott denkt und schafft, kein greif—
bares, faßbares, in den Schranken einer Statue, eines Bildes darstell—
bares Wesen ist. Vom christlichen und jüdischen Gott läßt sich kein
Bild machen; aber wer kann sich vom Geiste, vom Willen, vom, Wort
ein körperliches Bild machen? Der Unterschied zwischen dem Mono—
theismus und Polytheismus besteht darin ferner, daß der Polytheismus
zum Ausgangspunkt und Fundament die sinnliche Anschauung hat,
welche uns die Welt in der Vielheit ihrer Wesen darstellt, der Mono⸗
theismus aber von dem Zusammenhang, von der Einheit der Welt
ausgeht, von der Welt, wie der Mensch sie im Denken und Einbilden
in ein Eins zusammenfaßt. Es ist nur eine Welt und folglich nur
ein Gott, sagt z. B. Ambrosius. Die vielen Götter sind Geschöpfe
der sich unmittelbar an die Sinne anschließenden Einbildungskraft; der
Eine Gott ist ein Geschöpf der von den Sinnen abgezogenen, der mit
dem Abstractionsvermögen verbundenen Einbildungskraft. Je mehr
der Mensch von der Einbildungskraft beherrscht wird, desto sinnlicher
ist sein Gott; auch der Eine Gott; je mehr der Mensch an abgezogene
Begriffe gewöhnt ist, desto unsinnlicher, desto abgezogener, abgefeimter
ist sein Gott. Der Unterschied zwischen dem christlichen Gott, wie er
ein Gegenstand des Rationalisten, des Denkglaubigen, und zwischen
ihm, wie er Gegenstand des Alt- oder Vollgläubigen ist, besteht nur
darin, daß der rationalistische Gott ein abgefeimteres, abgezogeneres,
unsinnlicheres Wesen ist, als der mystische oder rechtglaubige Gott, be—