Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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gethan werden koͤnne. Und dieser Aberglaube, diese Einbildung ist so 
mächtig bei den Indianern, daß sie oft in Folge „der bloßen Ein— 
bildung, es sei ihnen ein Uebel angethan, sie seien behext, wirklich 
sterben“ (21). Eben so, wie Heckewelder, spricht sich Volney in 
seinem Gemälde von Nordamerika über die noydamerikanischen Wilden 
aus: „Die Furcht vor bösen Geistern ist eine ihrer herrschendsten und 
quälendsten Vorstellungen; ihre unerschrockensten Krieger sind in diesem 
Punkte den Weibern und Kindern gleich; ein Traum, eine Nachterschei— 
nung im Gehoͤlz, ein widriges Geschrei erschrecken sle.“ Aber eben so 
wie bei den genannten Völkern finden wir auch bei den Christen die 
übertriebensten Vorstellungen und Beschreibungen von den Uebeln und 
Todesgefahren, welche den Menschen auf allen Wegen und Stegen ver— 
folgen und welche ihre religiöse Phantasie als Wirkungen eines dem 
Menschen feindlichen, bösen Wesens oder Geistes, des Teufels vor— 
stellt, Wirkungen, welche nur durch die Gegenwirkungen eines guten, 
dem Menschen wohlwollenden und allmächtigen Gottes aufgehoben 
werden. 
Die Götter sind also allerdings Phantasiegeschöpfe, aber Phantasie— 
geschoöpfe, die mit dem Abhängigkeitsgefühl, mit der menschlichen Noth, 
mit dem menschlichen Egoismus in innigster Verbindung stehen, Phan⸗ 
tasiegeschöpfe, die zugleich Gefühlswesen, Wesen oder Geschöpfe des 
Affects, insbesondere der Furcht und Hoffnung sind. Der Mensch 
verlangt von den Göttern, wie ich schon bei dem religiösen Bilderdienst 
sagte, daß sie ihm helfen, wenn er sie sich als gute Wesen, daß sie ihm 
nicht schaden, wenigstens nicht in seinen Plänen und Freuden stören, 
wenn er sie sich als böse Wesen vorstellt. Die Religion ist daher nicht 
nur eine Sache der Einbildungskraft, der Phantasie, nicht nur eine Sache 
des Gefühles, sondern auch eine Sache des Begehrungsvermö— 
gens, des Bestrebens und Verlangens des Menschen, unangenehme 
me Gefühle zu beseitigen, und angenehme Gefühle sich zu verschaffen, das, 
ilst u⸗ was er nicht hat, aber haben möchte, zu erlangen, und das, was
	        
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