255
gethan werden koͤnne. Und dieser Aberglaube, diese Einbildung ist so
mächtig bei den Indianern, daß sie oft in Folge „der bloßen Ein—
bildung, es sei ihnen ein Uebel angethan, sie seien behext, wirklich
sterben“ (21). Eben so, wie Heckewelder, spricht sich Volney in
seinem Gemälde von Nordamerika über die noydamerikanischen Wilden
aus: „Die Furcht vor bösen Geistern ist eine ihrer herrschendsten und
quälendsten Vorstellungen; ihre unerschrockensten Krieger sind in diesem
Punkte den Weibern und Kindern gleich; ein Traum, eine Nachterschei—
nung im Gehoͤlz, ein widriges Geschrei erschrecken sle.“ Aber eben so
wie bei den genannten Völkern finden wir auch bei den Christen die
übertriebensten Vorstellungen und Beschreibungen von den Uebeln und
Todesgefahren, welche den Menschen auf allen Wegen und Stegen ver—
folgen und welche ihre religiöse Phantasie als Wirkungen eines dem
Menschen feindlichen, bösen Wesens oder Geistes, des Teufels vor—
stellt, Wirkungen, welche nur durch die Gegenwirkungen eines guten,
dem Menschen wohlwollenden und allmächtigen Gottes aufgehoben
werden.
Die Götter sind also allerdings Phantasiegeschöpfe, aber Phantasie—
geschoöpfe, die mit dem Abhängigkeitsgefühl, mit der menschlichen Noth,
mit dem menschlichen Egoismus in innigster Verbindung stehen, Phan⸗
tasiegeschöpfe, die zugleich Gefühlswesen, Wesen oder Geschöpfe des
Affects, insbesondere der Furcht und Hoffnung sind. Der Mensch
verlangt von den Göttern, wie ich schon bei dem religiösen Bilderdienst
sagte, daß sie ihm helfen, wenn er sie sich als gute Wesen, daß sie ihm
nicht schaden, wenigstens nicht in seinen Plänen und Freuden stören,
wenn er sie sich als böse Wesen vorstellt. Die Religion ist daher nicht
nur eine Sache der Einbildungskraft, der Phantasie, nicht nur eine Sache
des Gefühles, sondern auch eine Sache des Begehrungsvermö—
gens, des Bestrebens und Verlangens des Menschen, unangenehme
me Gefühle zu beseitigen, und angenehme Gefühle sich zu verschaffen, das,
ilst u⸗ was er nicht hat, aber haben möchte, zu erlangen, und das, was