Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

u einstellen, wenn es eben die Natur mit sich bringt, so würden sie nicht 
beten, — das Gebet wäre eine Thorheit — nein! sie glauben, daß 
durch das Gebet die Natur beherrscht, die Natur den menschlichen Wün— 
schen und Bedürfnissen unterwürfig gemacht werden könne. Eben des⸗ 
wegen gilt dem Menschen, wenigstens dem an die religiösen Vorstellun⸗ 
gen gewöhnten, die Lehre, welche die Natur durch sich selbst begreift, 
welche die Welt oder Natur nicht von dem Willen eines Gottes, eines 
dem Menschen wohlwollenden, menschenaͤhnlichen Wesens abhängig 
macht, fuͤr eine trosthosse und deswegen unwahre Lehre; denn ob— 
gleich der Theist in der Theorie die Unwahrheit der Trostlosigkeit vor⸗ 
aussetzt, thut, als ob er nur aus Gründen der Vernunft sie verwerfe, 
so folgt doch in der Praxis, d. h. in der That und Wahrheit die Un— 
wahrheit nur aus der Trostlosigkeit; man verwirft sie deswegen als 
unwahr, weil sie trostlos, d. h. nicht gemüthlich, nicht so behaglich ist, 
nicht so dem menschlichen Egoismus schmeichelt, als die entgegengesetzte 
Lehre, welche die Natur von einem Wesen ableitet, das den Naturlauf 
nach den Gebeten und Wünschen des Menschen bestimmt. „Die Epi— 
kuräer, sagt schon der gemüthliche Plutarch in seiner Schrift von der 
Unmöglichkeit, nach Epikur glücklich zu leben, sind dadurch allein schon 
bestraft, daß sie die Vorsehung läugnen, indem sie sich dadurch der Wonne 
berauben, welche der Glaube an eine göttliche Vorsehung einflößt“. 
„Welche Beruhigung, welche Wonne, sagt Hermogenes bei Plutarch 
in derselben Schrift, liegt in der Vorstellung, daß die Wesen, die 
Alles wissen und Alles können, so wohlwollendgegen 
mich sind, daß wegen der Sorge, die sie für mich tragen, stets ihr Auge 
uͤber mir wacht, sowohl bei Tag und Nacht, ich mag thun, was ich will, 
und daß sie mir, um den Ausgang jeder Unternehmung zu offenbaren, 
allerlei Zeichen geben!“ „Ohne Gott leben, sagt desgleichen ein engli— 
scher Theolog, Cudworth, heißt ohne Hoffnung leben. Denn welche 
Hoffnung oder welches Vertrauen soll der Mensch auf die sinnlose und 
leblose Natur setzen“? Und führt dabei den Spruch eines griechischen 
263
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.