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lichen, leiblichen Menschen; denn nur diese ist eine Fortdauer, in der
das Gemüth und die Phantaste Stoff finden, aber blos deßwegen, weil
sie eine sinnliche ist. Was aber von dieser Lehre insbesondere gilt, das m
gilt von der Religion überhaupt. Gott selbst ist ein sinnliches Wesen, —
ein Gegenstand der Anschauung, der Vision, zwar nicht der körperlichen,
aber der geistigen, d. h. der Phantasieanschauung. Wir können daher
den Unterschied zwischen der Philosophie und Religion kurzweg darauf
reduciren, daß die Religion sinnlich, ästhetisch ist, während die Philo⸗
sophie etwas Unsinnliches, Abstractes ist. Obgleich ich nun aber schon
in meinen frühern Schriften als das Wesen der Religion im Unter—
schiede von der Philosophie die Sinnlichkeit erkannte, so konnte ich doch
die Sinnlichkeit der Religion nicht anerkennen. Erstens, weil sie eine
der Wirklichkeit widersprechende, eine nur phantastische und gemüthliche
ist. So ist der Leib, um wieder das angeführte Beispiel beizubehalten,
welchen die Religion im Gegensatz gegen die philosophische Unsterblich—
keit geltend macht, nur ein phantastischer und gemüthlicher Leib, ein
„geistiger Leib, d. h. ein Leib, der so viel wie kein Leib ist. Die Re—
ligion ist daher die Anerkennung, die Bejahung der Sinnlichkeit im
Widerspruch mit der Sinnlichkeit. Ich konnte sie aber zweitens auch
deßwegen nicht anerkennen, weil ich selbst noch in dieser Beziehung auf
dem Standpunkt des abstracten Denkers stand, noch nicht die volle Be—
deutung der Sinne erfaßt hatte. Ich war mir wenigstens noch nicht
entschieden klar hierüber. Zur wahren vollständigen Anerkennung der
Sinnlichkeit gelangte ich einerseits durch ein erneutes tieferes Studium der
Religion, andererseits durch das sinnliche Studium der Natur, wozu mir
mein Landleben die schönste Gelegenheit darbot. Erst in meinen späteren
philosophischen und religionsphilosophischen Schriften kämpfe ich daher
mit Entschiedenheit eben so wohl gegen die abstracte Unmenschlichkeit
der Philosophie, als gegen die phantastische, illusorische Menschlichkeit
der Religion. Erst in ihnen sehe ich mit vollem Bewußtsein an die
Stelle des abgezogenen, nur gedachten Wesens der Welt, welches man
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