Doch nun zurüͤck zu unserem eigentlichen Thema. Den Uebergang
von dem Heidenthum zum Christenthum, von der Religion der Natur
zu der Religion des Geistes oder des Menschen machte ich vermittelst der
Einbildungskraft. Zuerst zeigte ich, daß ein Gott ein Bild, ein Wesen
der Einbildung sei, wobei ich zugleich den Unterschied zwischen dem
christlichen oder monotheistischen und dem heidnischen oder polytheistischen
Gotte zeigte, nämlich daß der heidnische Gott ein materielles, körper—
liches, einzelnes Bild, der christliche Gott aber ein geistiges Bild, das
Wort sei, daß man daher, um das Wesen des christlichen Gottes zu er—
kennen, nur das Wesen des Wortes zu begreifen brauche. Hierauf be⸗
schräͤnkte ich aber meine Ableitung der Religion aus der Einbildungskraft,
unterschied die Erzeugnisse der religiösen Einbildungskraft von bloßen
dichterischen Einbildungen oder Fictionen, zeigte, daß die religiöse Ein—
bildungskraft nur im Bunde mit dem Abhängigkeitsgefühl wirkt, daß
die Götter keineswegs nur Wesen der Einbildung, sondern auch Gegen—
stände der Herzensnoth, Gegenstände der Gefühle sind, die in den wich⸗
tigsten Momenten des Lebens, in Glück und Unglück den Menschen er—
greifen, daß die Götter eben deßwegen, weil der Mensch Angenehmes,
Gutes zu erhalten, Unangenehmes, Uebles zu beseitigen sucht, auch Ge—
genstände des Strebens, des Verlangens nach Glückseligkeit sind. Dieser
Punkt brachte uns auf den Unterschied zwischen Religion und Bildung,
Gebet und Arbeit: die Religion stimme darin mit der Bildung, der
Cultur, der Arbeit überein, daß sie die Zwecke der Cultur habe, aber
die Zwecke ohne Culturmittel erreichen wolle. Nachdem ich also diesen
Unterschied angedeutet, kehre ich zur Religion, als einer Sache des Glück⸗
seligkeitstriebes zurück. Ich sprach bei dieser Gelegenheit den kühnen
Satz aus: die Götter sind die verwirklichten, oder die als wirkliche We—
sen vorgestellten Wünsche der Menschen; der Gott ist nichts als der in
umn der Phantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen. Ich be⸗
lten und merkte aber, daß die Götter so verschieden seien als die Wünsche der
Menschen oder Völker, denn obgleich alle Menschen glücklich sein wollen,
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