Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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christlichen Gott ist nur der Unterschied zwischen dem heidnischen und 
dem christlichen Menschen oder Volke. Der Heide ist Patriot, der Christ 
Kosmopolit, folglich ist auch der Gott des Heiden ein patriotischer, der 
Gott des Christen dagegen ein kosmopolitischer Gott, d. h. der Heide 
hatte einen nationalen, beschränkten Gott, weil der Heide sich nicht über 
die Schranke seiner Nationalität erhob, die Nation ihm über den Men— 
schen ging; der Christ aber hat einen universellen, allgemeinen, die Uhl 
ganze Welt umfassenden Gott, weil er selbst sich über die Schranke der l 
Nationalität erhebt, die Würde und das Wesen des Menschen nicht auf shiel 
eine bestimmte Nation einschränkt. Der Unterschied zwischen dem Po⸗ 
lytheismus und Monotheismus ist nur der Unterschied zwischen den il 
Arten und der Gattung. Der Arten sind viele, aber die Gattung ist cf 
nur Eines, denn sie ist es ja, worin die verschiedenen Arten übereinstim— 1 
men. So giebt es verschiedene Menschenarten, Rassen, Stämme oder Ili 
wie man es sonst nennen will, aber sie gehören doch alle zu einer Gat— wel 
tung, zur Menschengattung. Der Polytheismus ist nun da zu Hause, 
wo sich der Mensch nicht über den Artsbegriff des Menschen erhebt, wo 
er nur den Menschen seiner Art als seines Gleichen, als gleichberechtig— 
tes, gleichbefähigtes Wesen anerkennt. In dem Begriff der Art liegt 
aber die Vielheit, folglich giebt es da viele Götter, wo der Mensch das 
Wesen der Art zum absoluten Wesen macht. Zum Monotheismus er— 
hebt sich aber da der Mensch, wo er sich zum Begriff der Gattung 
erhebt, worin alle Menschen übereinstimmen, worin ihre Art-⸗, ihre Stam⸗— 
mes⸗, ihre National⸗Unterschiede verschwinden. Der Unterschied zwi— 
schen dem Einen, oder was eins ist, allgemeinen Gott der Monotheisten 
und den vielen, oder was eins ist, besonderen National-Göttern der Hei⸗ 
den oder Polytheisten ist nur der Unterschied zwischen den vielen ver— 
schiedenen Menschen und zwischen dem Menschen oder der Gattung, worin 
Alle Eins sind. Die Sichtbarkeit, Handgreiflichkeit, kurz Sinnfällig— 
keit der polytheistischen Götter ist nichts Andres als die Sinnfälligkeit 
der menschlichen Art- und Nationalunterschiede — der Grieche z. B.
	        
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