Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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scheue, ist zugleich Bejahung, der Atheismus verneint nur das vom 
Menschen abgezogene Wesen, welches eben Gott ist und heißt, um das 
wirkliche Wesen des Menschen an die Stelle desselben als das wahre zu 
setzen. Der Theismus, der Gottesglaube dagegen ist verneinend; er 
verneint die Natur, die Welt und Menschheit: vor Gott ist die 
Welt und der Mensch Nichts, Gott ist und war, ehe Welt und 
Menschen waren; er kann ohne sie sein; er ist das Nichts der Welt 
und des Menschen; Gott kann die Welt, so glaubt der strenge Gottes— 
glaͤubige wenigstens, jeden Augenblick zu Nichts machen; für den wahren 
Theisten giebt es keine Macht und Schönheit der Natur, keine Tugend 
des Menschen; Alles nimmt der gottesgläubige Mensch dem Menschen 
und der Natur, nur um damit seinen Gott auszuschmücken und zu ver— 
herrlichen. „Nur Gott allein ist zu lieben, sagt z. B. der hei— 
lige Augustin, diese ganze Welt aber, d. h. alles Sinnliche ist zu 
verachten“. „Gott, sagt Luther in einem lateinischen Briefe, will 
entweder allein oder kein Freund sein“. „Gott allein, sagt er in 
einem andern Briefe, gebührt Glaube, Hoffnung, Liebe, daher sie auch 
die theologischen Tugenden heißen“. Der Theismus ist daher „negativ 
und destructiv“; nur auf die Nichtigkeit der Welt und des Menschen, 
d. h. des wirklichen Menschen baut er seinen Glauben. Nun ist aber 
Gott nichts Andres, als das abgezogene, phantastische, durch die Ein— 
bildungskraft verselbstständigte Wesen des Menschen und der Natur; 
der Theismus opfert daher das wirkliche Leben und Wesen der Dinge 
und Menschen einem bloßen Gedanken- und Phantasiewesen auf. Der 
Atheismus dagegen opfert das Gedanken- und Phantastewesen dem 
wirklichen Leben und Wesen auf. Der Atheismus ist daher positiv, 
bejahend; er giebt der Natur und Menschheit die Bedeutung, die Würde 
wieder, die ihr der Theismus genommen; er belebt die Natur und 
Menschheit, welchen der Theismus die besten Kräfte ausgesogen. Gott 
ist eifersͤchtig auf die Natur, auf den Menschen, wie wir früher sahen; 
— er allein will verehrt, geliebt, bedient sein; er allein will Etwas, alles 
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