Copernikus eben so in der Politik über den Ptolemäus siegen wird, als
er bereits in der Astronomie über ihn gesiegt hat, obgleich das ptolemäi—
sche Weltsystem einst von den Philosophen und Gelehrten auch für eine
unumstößliche „wissenschaftliche Wahrheit“ ausgegeben wurde.
17) Dasselbe gilt übrigens nicht nur von den Heiden, sondern auch
von den alten Israeliten. Als die Daniter dem Micha sein Götterbild
genommen hatten, schrie er ihnen nach: „Ihr habt meine Götter
(oder nach Andern meinen Gott) genommen, die ich gemacht hatte“.
Uebrigens ist keineswegs nur der plastische Bildmacher, sondern auch und
zwar vor Allen der geistige Bildmacher, der Dichter ein Gottmacher.
Man denke nur an Homer und Hestod! Ovid sagt ausdrücklich im vier—
ten Buch seiner Episteln aus Pontus: „Götter auch werden gemacht in
(oder durch) Gedichte“ (oder von den Dichtern). Di quoque carmi—
nibus (si fas est dicere) füunt. — Wenn man behauptet, daß der
Religiöse nicht das Bild oder die Statue selbst als Gott, sondern nur
Gott in ihnen verehre, so ist diese Unterscheidung nur in sofern begründet,
als der Gott auch außer der Statue und dem Bilde, nämlich im Kopfe,
im Geiste des Religiösen existirt, nur in sofern also, als überhaupt zwi—
schen einem Wesen als sinnlichem, wirklichem und demselben als vorge—
stelltem, geistigem ein Unterschied besteht. Außerdem aber ist diese Unter—
scheidung grundlos. Das eben, worin der Mensch Gott verehrt,
das ist sein wahrer, wirklicher Gott, der drüber und draußen seiende
Gott ist nur ein Gespenst der Vorstellung. So findet und verehrt der
Protestantismus, wenigstens der alte, positive, Gott in der Bibel,
d. h. er verehrt die Bibel als Gott. Der Protestant verehrt freilich
nicht das Buch als Buch, wie der König der Aschantis in Afrika
den Koran, ob er gleich keinen Buchstaben davon versteht; er verehrt
den Inhalt derselben, das Wort Gottes, das Wort, in dem er sein
Wesen ausgesprochen, aber dieses Wort existirt ja nur wenigstens unent—
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