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18) Freilich ist ein Gott, wie hinlänglich gezeigt wurde, auch ein
Bild der Natur, das eingebildete Wesen derselben — die Natur ist ja
der erste, ursprüngliche, als Hintergrund bleibende Gegenstand der Re—
ligion — aber der Mensch, namentlich auf dem Standpunkt der Reli⸗
gion, bildet sich ja ein, stellt sich vor die Natur nur nach dem Maaßstab
seines Wesens, so daß das eingebildete Wesen der Natur nur das ver⸗
gegenständlichte Wesen des Menschen ist.
19) Zum Verbrennen gehoͤrt freilich auch ein nach der Verschie—
denheit des Brennstoffs verschiedener Temperaturgrad, aber auch zur
Poesie gehört ein bestimmter, nach der Verschiedenheit des Individuums
sich richtender Temperaturgrad — innere und äußere Wärme, um das
Feuer der Begeisterung zu erzeugen. So wie wir in geistiges Feuer
kommen, so erzeugt sich auch physisches Feuer; es wird uns heiß selbst
bei ruhiger Stellung in kalter Stube. Umgekehrt versetzt uns aber auch
physisches Feuer in poetisches. Wo das Blut vor Kälte erstarrt, schlägt
auch die poetische Ader nicht mehr.
20 „Den phantastischen Visionen eines Fieber—
kranken (drückt sich über diesen Gegenstand G. Bancroft in seiner
Geschichte der Ver.⸗Staaten von Nordamerika aus) gehorcht ein ganzes
Dorf oder ein ganzer Stamm, und die ganze Nation würde eher ihre
Ernten, ihre kostbaren Pelze, ihre Jagdbeute und alles Andere darbrin⸗
gen, als der Erfüllung des Traumes entgegen sein. Der Traum muß
befolgt werden, wenn er verlangte, daß die Weiber einer allgemeinen
Umarmung preisgegeben würden. Der Glaube an eine Geisterwelt,
die sich durch Träume offenbarte (richtiger: an Traͤume, die dem Men—
schen als Geister, Götter, übermenschliche Wesen erschienen), war all—
gemein. Am obern See hatte dem Neffen einer Chippewa⸗Indianerin
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