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Gott oder die Gattung, welche die Kinder macht oder schafft?
Warum gehen denn aber dann so viele Individuen über der Kinder—
erzeugung und Gebährung zu Grunde? Woher das: omne animal
post coitum triste, wenn nicht mein eigenes Wesen dabei betheiligt
ist? Woher die individuelle Aehnlichkeit der Kinder mit ihren Eltern,
wenn die Gattung, „die sich selbst setzende Allgemeinheit“, nicht die In—
dividualität das Zeugungsprincip ist? Allerdings kann ich keine Kinder
zeugen, wenn mir irgend eine sei's nun bekannte oder unbekannte orga—
nische Bedingung oder Fähigkeit dazu fehlt; aber ich kann auch nicht
sehen, nicht horen, nicht gehen, nicht essen, nicht pissen, “) wenn mir die
dazu nöthigen organischen Bedingungen und Anlagen fehlen, ich kann
überhaupt nichts und bin nichts als ein Name, wenn man den andern
Theil von mir, das Nichtich, die Natur von mir wegläßt. Ich habe mich
indeß hierüber schon früher ausgesprochen; will aber, wie sich von selbst
versteht, Niemandem die Freiheit nehmen, den Begriff des Individuums
nach Belieben zu beschränken, die Eingeweide demselben aus dem Leibe zu
nehmen und dann hintendrein den hohlen Balg mit einem Gotte, einer
αονανα ανοναναν, sagte Karneades zu seiner Neuvermählten, aber
eben so gut können wir, namentlich wenn wir an Harnbeschwerden leiden, sagen:
ayαον νν oöοονοννναν (6t venia verbol). Als Luther, der am Stein litt, in
Folge einer Reise Wasser lassen konnte, sagte er: sie laetitia cogit etiam hanc aquam
numerare alias vilissimam, mihi vero pretiosissimam, und schrieb die Ursache davon
der Kraft der Thränen und Gebete, oder was eins ist, der göttlichen Barmherzigkeit
zu. „Gott hat Wunder an mir gethan diese Nacht und thuts noch durch frommer
Leute Fürbitt“. Mögen die speculativen, religiösen und politischen Feinde der mensch—
lichen Individualität in diesem köstlichen, ja göttlichen Wasser Luther's sich den Kopf
waschen lassen, und entweder behaupten, daß das Urinmachen eben so gut als das
Kindermachen eine Wirkung der Gattung oder sonst eines Allgemeingespenstes sei,
oder erkennen, daß nur deswegen die Natur Zeugen und Pissen an ein und dasselbe
Organ gebunden hat, um auf eine recht augenfällige Weise zu zeigen, daß das Zeugen
eben so gut als das Pissen eine Sache des Individuums ist.