Full text: Vorlesungen über das Wesen der Religion (8. Band)

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sumns überhaupt, sondern dieser bestimmte, besondere Mensch. 
So bin ich deutsch sprechender, deutsch denkender, nicht üͤberhaupt spre— 
chender und denkender Mensch — es giebt ja in der Wirklichkeit keine 
Sprache im Allgemeinen, sondern nur diese und jene Sprache. Und 
diese Charakterbestimmtheit meines Wesens, meines Lebens ist unabson— 
derlich, abhängig von diesem Boden, diesem Klima — namentlich gilt 
dies von den alten Völkern, also ist's gar nicht lächerlich, daß sie ihre 
Berge, ihre Flüsse, ihre Thiere religiös verehrten. Es ist um so we— 
niger zu verwundern, als den alten Naturvölkern aus Mangel an Er— 
fahrung und Bildung ihr Land für die Erde, oder wenigstens für den 
Mittelpunkt der Erde galt. Es ist dies endlich um so weniger zu ver— 
wundern bei den alten, abgeschlossenen Völkern, als selbst bei den mo— 
dernen abgeschliffenen, im großartigsten Weltverkehr lebenden Völkern 
noch immer der Patriotismus eine religiöse Rolle spielt. Haben doch 
selbst die Franzosen das Sprüchwort: „Der liebe Gott ist gut franzö⸗ 
bul sisch“, und schämen sich doch selbst in unseren Tagen nicht die Deutschen, 
welche doch wahrlich keinen Grund haben, wenigstens in politischer Be— 
ziehung, auf ihr Vaterland stolz zu sein, von einem de utschen Gott 
zu reden. Nicht ohne Grund sage ich daher in einer Anmerkung im 
Wesen des Christenthums: so lange es viele Völker giebt, so lange 
giebt es auch viele Götter; denn der Gott eines Volkes, wenigstens 
sein wirklicher Gott, welcher wohl zu unterscheiden ist von dem Gotte 
seiner Dogmatiker und Religionsphilosophen, ist nichts Andres, als sein 
Nationalgefühl, sein nationeller Point dhonneur. Dieser Point d'hon- 
neur war aber bei den alten Naturvölkern ihr Land. Die alten Per— 
ser z. B. schätzten sogar, wie Herodot berichtet, die andern Völker nur 
nach dem Grade der Entfernung ihres Landes von Persien: je naͤher, 
n desto höher, je entfernter, desto niedriger. Und die Aegypter erblickten 
* T nach Diodor in ihrem Nilschlamm den Ur-⸗ und Grundstoff des thieri⸗ 
* grdanlt schen und selbst menschlichen Lebens. 
at Reush 2 
Feuerbach's sämmtliche Werke. VIII.
	        
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