Beitrag zur Morphologie des Graphits
ROLAND MITSCHE, JOSEFINE WALLNER
(Institut für Metallkunde und Werkstoffprüfung, Montanistische Hochschule Leoben)
1. Einleitung und Problemstellung
Die Tatsache, daß die Ausbildungsform des Graphits die Festigkeitseigenschaften des grauen
Gußeisens maßgeblich beeinflußt, hat schon frühzeitig zu zahlreichen Untersuchungen über
seine Morphologie geführt. So lange man sich neben der Ermittlung des Raumgitters nur
lichtmikroskopischer Verfahren bediente, konnte im wesentlichen nur eine verhältnismäßig
grobe Systematik der Erscheinungsformen erarbeitet werden.
Erst durch den Einsatz des Elektronenmikroskopes und unter Verwendung spezieller
Präparationsverfahren* konnte beim 34. Internationalen Gießereikongreß 1967 erstmalig der
Auf- direkte Nachweis geliefert werden, daß der Kugelgraphit aus hexagonalen sphärischen
a Blättchen mit Durchmessern von einigen um und Dicken in der Größenordnung von 1000 bis
2000 Ä aufgebaut ist. Weiterhin wurde gezeigt, daß auch der Blattgraphit nach einem
ähnlichen Prinzip aufgebaut ist, d.h., er besteht ebenfalls aus kleinen Graphitschuppen.
Bezüglich Einzelheiten wird auf die in den hier angeführten Publikationen enthaltenen aus-
führlichen Literaturangaben verwiesen.
Bald darauf konnte unter Heranziehung des Elektronen-Raster-Mikroskopes festgestellt
werden? , daß sämtliche in technischen Eisenlegierungen vorhandenen Graphite, gleichgültig
ob sie direkt aus der Schmelze oder durch Umsatz im festen Zustand gebildet werden,
ebenfalls aus den bereits erwähnten Kohlenstoffschuppen aufgebaut sind. Damit konnte in
Fig. 14 dieser Arbeit? für sämtliche bekannten Graphittypen ein einheitliches Aufbauschema
gegeben werden.
Durch die Erweiterung der Untersuchungen einerseits auf Graphite in Erzen und Schlacken
sowie die Anwendung neuer Präparationsverfahren wurde schließlich? beim 37. Internatio-
nalen Gießereikongreß 1970 nachgewiesen, daß auch für Graphite, die in nichtmetallischer
Grundmasse vorliegen, dieselben Aufbauprinzipien vorliegen wie in metallischer Grundmasse.
Darüber hinaus wurde mit Hilfe spezieller, im Zentrum für Elektronenmikroskopie der
; Technischen Hochschule Graz entwickelter Verfahren? * das Vorliegen nichtkohlenstoff-
haltiger Substanzen zwischen den aus Graphitschuppen aufgebauten Schichten von
Graphiten in Gußeisen direkt nachgewiesen.
Es können nunmehr alle bisher bekannten Erscheinungsformen des Graphits von einem
einheitlichen Bauprinzip aus verstanden werden.
Völlig anders liegt es aber heute noch hinsichtlich der Probleme der Keimbildung und der
Ursachen für das so verschiedenartige Zusammenwachsen der Kohlenstoff-Elementar-
schuppen zur Vielfalt der bekannten Graphitformen. Über Keimbildung und Wachstum gibt
eisen es eine Unzahl von Vorstellungen, Hypothesen und Theorien, hinsichtlich welcher auf eine
wichtige Publikation des Iron and Steel Institutes London® hingewiesen werden muß.
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