Im Probeninnern entstehen bei der Wechselverformung vorerst Versetzungssprünge und zahl-
reiche Versetzungsdipole, die mengenmäßig mit der Amplitude, Temperatur und Last-
wechselzahl entsprechend zunehmen und sich mehr und mehr in Knäueln anordnen! ©, Viel-
fach sind auch gelängte Versetzungsringe zu beobachten. Wahrscheinlich werden durch
Schneidprozesse mit Versetzungen eines anderen Gleitsystems mit zunehmender Last-
wechselzahl die Dipole kürzer,und es bilden sich in zunehmendem Maße relativ gleichachsige
Versetzungsringe, die ähnlich wie in den Gleitbändern in der Probenoberfläche ein räum-
liches Zellnetzwerk aufbauen.
Bei hohen Amplituden, die schon nach wenigen tausend Lastwechseln zum Bruch führen,
bildet sich ein Versetzungszellnetzwerk, ähnlich wie bei hohen einsinnigen Verformungen,
dessen Zellgrenzen allerdings schmäler und vielfach aus einfachen Versetzungskonfiguratio-
nen aufgebaut sind’. Diese Beobachtungen gelten grob qualitativ sowohl für kubisch flächen-
zentrierte als auch für kubisch raumzentrierte Metalle und vielfach auch für hexagonale
metallische Gitter! °
Bei niedriger Stapelfehlerenergie gibt es eine wesentlich andere Versetzungsanordnung.
Zellen treten durchwegs fast nicht mehr auf, die Versetzungen liegen bei hohen Amplituden
vielfach dicht in Bändern angeordnet. Für dieses Verhalten wurde die erschwerte Quergleit-
möglichkeit durch die Versetzungsaufspaltung verantwortlich gemacht‘ !.
Eigene elektronenmikroskopische Untersuchungen an Reinaluminium und Reinkupfer®> 7
konnten diese Beobachtungen bestätigen. Allerdings treten oft sehr stark unterschiedliche
Versetzungsstrukturen in unmittelbarer Nachbarschaft auf. Ein Zellnetzwerk, das hohen
Dehnungs- bzw. Spannungsamplituden entspricht, liegt oftmals neben fast völlig unver-
formten Bereichen mit niedriger Versetzungsdichte. Für diese Heterogenität der Substruktur
sind vielfach Spannungsschwankungen von 0 bis zu einer beträchtlichen Überspannung, z. B.
durch die Lage des Gefügebereiches zur Verformungsrichtung, durch Korngrenzen, Aus-
scheidungen usw. verantwortlich.
Leider haben die elektronenmikroskopischen Untersuchungsverfahren den Nachteil, daß
Einzelbilder, je nach der Theorie, verschieden interpretiert werden können. Es ergibt sich
daher die Notwendigkeit, oftmals eine Vielzahl von Proben und Probenstellen zu unter-
suchen, um eine eindeutige und ausreichend gesicherte Aussage zu erhalten.
Aus einer solchen Vielzahluntersuchung ging hervor, daß bei hohen Amplituden die Bereiche
der Zellbildung oftmals auch die Bereiche des Bruchgeschehens waren. Während wir daraus
schlossen, daß die Zellbildung für eine Rißfortpflanzung maßgeblich und notwendig sei®,
zeigten unsere neueren Versuche, daß einige 100 um vor der Rißspitze keine Zellen vor-
handen sein müssen. Erst knapp vor der Rißspitze sind durchwegs die auch bei relativ hohen
Amplituden auftretenden räumlichen Netzwerke aus Versetzungsringen vorhanden, wie sie in
Fig. 1 wiedergegeben sind. Nach Messungen von S. Nishiyima‘? treten ja bei der Zugphase in
der Rißspitze oft plastische Dehnungen von mehreren Prozent auf, die ohne weiteres erst
dann in der Rißspitze die Zellbildung verursachen können, Auch scheint in unmittelbarer
Rißnähe, ca. 20 bis 50 um vor dem Riß, sowie in derselben Distanz nach oben und unten
eine andere Modifikation von Zellen zu existieren (Fig. 2), die vielfach aus einfachen Ver-
drehungs- oder Kippkorngrenzen aufgebaut ist. Nach M. A. Wilkins und G. C. Smith‘?
könnte es sich hierbei um eine spontane Erholung beim Rißdurchgang in der Rißspitze
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