3.1.2. Enthält das Beugungsdiagramm nicht nur Reflexe einer, sondern von 2 oder mehr
Laue-Zonen, so gewinnt man die Eindeutigkeit nach dem Verfahren von P. L. Ryder und
W. Pitsch‘ ©»? Es beruht auf dem endlichen Krümmungsradius der Ewaldkugel (Fig. 3). zı
und Z5 seien die Zonenachsen der beiden Laue-Zonen, g; und g; beliebige Beugungsvektoren
aus je einer Zone, die jedoch nicht auf derselben Halbebene in bezug auf den Nullpunkt als
Mittelpunkt liegen, wenn man als Begrenzung der Halbebene den beiden Laue-Zonen
gemeinsamen Beugungsvektor g3 nimmt (Fig. 3). Im Falle der richtigen, d. h. eindeutigen
Indizierung, müssen dann die Winkel zwischen Zi, 82 sowie Zn, gi beide etwas kleiner als 90°
sein, die inneren Produkte (Z;, >) und (Z5, 81) also positiv. Ist dies nicht der Fall, dann
müssen alle Vorzeichen aller Indizes (hkl) umgekehrt werden, wobei aber die Vorzeichen der
Zonenachse [uvw] erhalten bleiben.
3.1.3. Sind die Verfahren 3.1.1. oder 3.1.2. nicht anwendbar, so verbleibt nur die Möglich-
keit, die Probe im Elektronenmikroskop sinnvoll zu kippen, bis Reflexe einer benachbarten
Laue-Zone auftreten. Diese gestatten dann durch räumliche Vorstellung im reziproken Gitter
die Entscheidung, welcher der beiden Fälle vorlag. Diese Methode ist allerdings mühseliger
und kann nicht nachträglich angewandt werden, sondern setzt voraus, daß man bereits auf
dem Leuchtschirm erkennt, daß das Diagramm nicht auf eine der beiden beschriebenen
Weisen eindeutig zu machen ist.
3.2, Die Koinzidenz-Zweideutigkeit
Die beiden Kristall-Lagen der 180°-Zweideutigkeit waren symmetrisch zu P und treten in
allen Kristallsystemen auf. Im Gegensatz dazu tritt eine weitere Art von Zweideutigkeit in
hochsymmetrischen, speziell kubischen Gittern auf: in gewissen, relativ seltenen Fällen kann
ein und dasselbe Beugungsbild auf zwei ganz verschiedene Weisen indiziert werden, die völlig
verschiedenen, durch keinerlei Symmetriebeziehungen miteinander verknüpften Kristall-
orientierungen entsprechen. Dabei sind beide Indizierungen formell in Übereinklang mit den
bekannten Indizierungsregeln ? °is 4 Dennoch ist nur eine richtig, d.h. entspricht der
wirklichen Lage des Kristalls.
Ein Beispiel gibt Fig. 4, welche von einer Aluminiumfolie stammt, durchstrahlt mit
100 kV-Elektronen. (Für die folgende Betrachtung sollen die Kreuzchen und klein
geschriebenen Indizes zunächst unbeachtet bleiben.) Wie man mit Hilfe der bekannten
Regeln der Vektoraddition, der Winkelkontrollen, der Regel der linear steigenden bzw.
fallenden Indizes? feststellt, sind beide Indizierungen jeweils in sich konsistent und damit
formell richtig. Eine weitere Analyse ähnlicher Fälle ergab, daß diese Art von Zweideutigkeit
als notwendige Voraussetzung hat, daß jeweils ein Reflex auf zwei ganz verschiedene Weisen
(hkl) bzw. (h’k’T’) indiziert werden kann, wobei aber die Indizes-Quadratsummen h*+k? +1?
und h’2+k’2+1’? gleich sind, d. h. koinzidieren, wie bei 173 und 355 in Fig. 4. Aus diesem
Grunde soll diese Art von Zweideutigkeit als „Koinzidenz-Zweideutigkeit‘“ bezeichnet
werden. Alle übrigen Reflexe gehören bei den beiden Möglichkeiten jeweils zum gleichen
Typus { hkl1}, d. h. unterscheiden sich nur durch Permutation bzw. Vorzeichen.
Es scheint kennzeichnend zu sein, daß die Koinzidenz-Zweideutigkeit nur bei relativ hoch
indizierten Orientierungen P//<uvw> auftritt. In den bisher veröffentlichten Atlas-ähnlichen
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