Mit der Möglichkeit einer Fehlindizierung infolge Koinzidenz-Zweideutigkeit muß demnach
im Falle hochindizierter Diagramme dann gerechnet werden, wenn ein Reflex (hkl) bzw.
(h’k’l’) aus Tabelle 2 auftritt — jedoch nicht in den durch „Ü‘* gekennzeichneten Fällen.
Diese sind unkritisch, wie anhand von Fig. 5 gezeigt werden soll. Das durch die Kreise
gekennzeichnete, großmustrige Reflexdiagramm möge beobachtet worden sein. Auf Grund
der ermittelten Beugungskonstanten kommt für den Reflex ganz rechts oben die Indizierung
{ 660} oder { 228} in Frage, d. h. es liegt eine Koinzidenz vor.
Man könnte das Diagramm also fälschlicherweise mit 660 bzw. den übrigen, obenstehenden
hkl indizieren, in formeller Übereinstimmung mit den Indizierungsregeln, woraus sich die
Zonenachse [uvw] = [001] ergäbe. Dies ist für das großmustrige Diagramm natürlich falsch,
da man weiß, daß die bekannte [001]-Orientierung das kleinmustrige Diagramm (Punkte)
ergibt. Die durch Kreise gekennzeichneten Reflexe ergeben ein Beugungsdiagramm, das als
(zweidimensionales) „Übergitter‘‘ (Ü) des kleinmustrigen (001)-Diagramms betrachtet
werden kann. Man hätte nun auch ohne vorherige Kenntnis der Lösung die Indizierung 660
durch folgenden Schluß als falsch erkennen können: gemäß den Auslöschungsregeln müssen
auf der Geraden zwischen (000) und (660) noch die Reflexe (440) und (220) auftreten, die
in dem durch Kreise gekennzeichneten Diagramm aber fehlen ((660) ist „kürzbar‘‘). Also ist
(228) die richtige Indizierung: zwischen (000) und (228) dürfen keine Reflexe auftreten, wie
beobachtet, da (114) nicht reflexionsfähig ist (d. h. (228) ist „nicht kürzbar‘“). Ähnlich kann
man in allen anderen, in Tabelle 2 durch „Ü“ = Übergitter gekennzeichneten Fällen sofort
die richtige Indizierung daran erkennen, ob auf der Geraden zwischen dem Reflex und (000)
noch andere Reflexe liegen oder nicht. In den Fällen „Ü*‘ ist von den beiden koinzidierenden
Reflexen hkl und h’k’l’ jeweils einer kürzbar, der andere dagegen nicht kürzbar.
In den nicht durch ein „Ü‘* gekennzeichneten Fällen der Tabelle 2 ist keine der beiden
Indizierungsmöglichkeiten kürzbar, d. h. es liegt kein Reflex auf der Geraden‘zwischen (000)
und dem Reflex, wie in Fig. 4. In diesen Fällen muß man also zunächst beide Indizierungs-
möglichkeiten durchführen und die falsche der beiden Möglichkeiten dann durch gesonderte
Verfahren bzw. Überlegungen ausschalten. Glücklicherweise werden nun auf Grund der
erwähnten Tatsache, daß solche Fälle nur bei relativ hohen Indizierungen auftreten, in der
Praxis zumeist noch andere Laue-Zonen auf dem Beugungsdiagramm mit sichtbar. Die
Ewaldkugel schneidet gelegentlich noch „Ausläufer‘‘ der streaks von benachbarten, niedriger
indizierten Zonen, wenn auch oft mit nur knapp erkennbarer Intensität” . Dies war auch im
Fall des Originalnegativs von Fig. 4 der Fall, wo (schwache) Reflexe der benachbarten
[101]-Zone (14° Orientierungsdifferenz zu [815]) erkennbar waren. Diese sind in der
schematischen Darstellung von Fig. 4 durch die kleinen Kreuze markiert. Eine räumliche
Vorstellung bzw. perspektivische Skizze des kub.-raumzentrierten reziproken Gitters mit
entsprechender dreidimensionaler Indizierung einiger Gitterpunkte ergab hierdurch, daß in
vorliegendem Falle die Indizierung links in Fig. 4 die Richtige war. Bei der Indizierung von
mehr als einer Laue-Zone auf einem Diagramm müssen die folgenden Regeln erfüllt sein:
a) Beiden Zonen gemeinsame Reflexe haben die gleiche Indizierung (wie z.B. der
Reflex 131 in Fig. 4, der sowohl der [815]- wie auch der [101]-Zone angehört).
b) Die Indizes benachbarter Reflexe müssen auch zahlen- und vorzeichenmäßig in derselben
Nachbarschaft im reziproken Gitter liegen.
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