Elektrolytisches Ätzen
GÜNTHER GRÜTZNER, HANS-JÜRGEN SCHÜLLER
Forschungsinstitut der Mannesmann AG, Duisburg-Huckingen
1. Einleitung
uam Im allgemeinen läßt eine nur polierte Metalloberfläche unter dem Mikroskop noch keine
Gefügeeinzelheiten erkennen, da das Reflexionsvermögen der metallischen Bestandteile
wr gewöhnlich zu groß ist. Nur Phasen mit einer charakteristischen Eigenfarbe sind bereits im
polierten Schliff zu sehen. Davon wird z.B. bei der Ermittlung des Reinheitsgrades von
Stählen Gebrauch gemacht. Auch die Bildung eines Reliefs auf der Schliffoberfläche bei
; Vorliegen verschieden harter Gefügebestandteile und das Vorhandensein von Rissen und
anderen Fehlstellen lassen eine Beobachtung von Einzelheiten in der Probe bereits im
polierten Zustand zu. Alle diese Beispiele sind ausgesprochene Sonderfälle. Sehr häufig
bedarf es einer zusätzlichen Oberflächenbehandlung oder zumindest eines Eingriffes in den
Strahlengang des Mikroskops, um die verschiedenen Gefügebestandteile sichtbar zu machen.
m In Tabelle 1 sind solche Verfahren der Gefügeentwicklung angegeben. Die dort unterstriche-
nen Begriffe sollen hier erläutert werden. Sie bezeichnen jene Methoden zur Gefügeentwick-
lung, die auf der Existenz eines elektrischen Feldes in einem Elektrolyten beruhen und daher
im weitesten Sinne dem elektrolytischen Ätzen zuzuordnen sind.
hliff Unter 1 sind Verfahren ohne Veränderung der Schliffoberfläche, die als rein „optische
Ätzverfahren“ anzusehen sind, angegeben. Unter II sind jene Methoden zusammengefaßt, die
auf einer Veränderung der Schliffoberfläche basieren. Aufgrund der während des Ätzens
ablaufenden Oberflächenreaktionen ergeben sich drei Gruppen. Während es sich bei der
ersten um einen Metallabtrag ohne Schichtbildung handelt, worunter diejenigen Verfahren
zu verstehen sind, bei denen entsprechend dem klassischen Begriff „Ätzen‘‘ ein sichtbarer
Korrosionsangriff in Form einer Abtragung auftritt, bedingen die beiden anderen Gruppen
eine Schichtbildung. Da diese Schichten bunte Eigen- oder Interferenzfarben bilden, sind alle
jene Verfahren unter dem Begriff „Farbmetallographie‘“ zusammenzufassen.
2. Grundbegriffe der Elektrochemie
Die Stromdichte-Potentialkurve einer Elektrodenreaktion gibt einen ersten Hinweis über den
kinetischen Ablauf des Prozesses, d.h. über den langsamsten Teilschritt, der die Ätz-
geschwindigkeit bestimmt. Auf die Messung derartiger Kurven und deren Auswertung im
Hinblick auf das elektrolytische Ätzen soll im folgenden ausführlicher eingegangen werden,
da Stromdichte-Potentialkurven ein wertvolles Hilfsmittel zum vertieften Verständnis des
elektrolytischen Ätzens darstellen.
Im Gegensatz zum „chemischen“ wird beim elektrolytischen Ätzen mittels einer Gegen-
elektrode der Probe ein elektrisches Potential über einen äußeren Stromkreis aufgeprägt.
Fig. 1 zeigt eine Zweielektrodenanordnung, wie sie häufig in den metallographischen Labors
zum elektrolytischen Ätzen anzutreffen ist. Man bringt die zu ätzende Probe in ein Glas-
gefäß, das den Elektrolyten bzw. die Ätzlösung enthält. Über eine regelbare Gleich-
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