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Verschleißuntersuchungen
Die verschiedenen Schichtmorphologien äußern sich in deutlich unterschiedlichen Verschleißver-
halten bezüglich des verwendeten Tribosystems. Bild 6 zeigt die Veränderung der gewichtsbezoge-
nen Verschleißrate in Abhängigkeit von der Versuchszeit. Für den Fall des borierten Stahls
X 20 CrNi 172 liegt die Verschleißrate zu Versuchsbeginn bei ca. 530 mg/h und nimmt kontinuier-
lich mit relativ großen Schwankungen bis auf einen Wert von 350 mg/h bei 240 min Versuchszeit
ab. Ab 300 min Versuchszeit knickt die differentielle Verschleißrate auf ca. 200 mg/h deutlich ab
und zeigt nur noch geringe Schwankungen. REM-Untersuchungen an den verschlissenen Oberflä-
chen in Abhängigkeit von der Versuchszeit ergaben, daß bereits nach 10 min Versuchszeit totales
Schichtversagen auftrat, d. h. die Hartstoffbeschichtung ist, auch nur partiell, bis auf den Grund-
werkstoff freigelegt. Wie aus Bild 7 zu erkennen ist, erfolgt das Schichtversagen ausgehend von der
Einströmkante im wesentlichen durch Ablation gesamter Schichtpakete. Zudem zeigt die auf dem
Grundwerkstoff aufliegende Borierschicht deutlich ausgeprägte Risse in axialer Richtung, die durch
die kinetische Energie der Quarzsandpartikel in die Schicht eingebracht wurden. Mit zunehmender
Versuchszeit werden durch Schichtablation immer größere Bereiche des ausscheidungsmodifizier-
ten Grundwerkstoffs (Ausscheidungszone) freigelegt. Dies äußert sich in einer kontinuierlichen
Abnahme der Verschleißrate. Die im Grundwerkstoff eingelagerten Ausscheidungen tragen mit
fortschreitender Versuchszeit zunehmend den Verschleißschutz, bis nach ca. 300 min Versuchszeit
nahezu die gesamte Borierbeschichtung abgetragen ist und der Verschleißschutz alleine durch die
Ausscheidungen bewerkstelligt wird (Bild 8). Durch Wechselwirkungen zwischen den Ausschei-
dungen und den Quarzsandpartikeln kommt es durch Brechen und Herausfallen zur Schädigung der
eingelagerten Ausscheidungen (Bild 9). Der borierte Stahl 42 CrMo 4 zeigt dagegen ein deutlich
unterschiedliches Verschleißverhalten. Nach der Einlaufphase geht die Verschleißrate auf durch-
schnittlich 36 mg/h in ein Plateau über. Erst nach 210 min Versuchszeit kann ein Ansteigen der
Verschleißrate verzeichnet werden. Während in der Einlaufphase und im Plateaubereich die Ver-
schleißerscheinungen ausschließlich an der Borierschicht festgestellt werden können, kann der Be-
reich III mit dem Einsetzen von totalem Schichtversagen korreliert werden. Die Verschleißrate der
borierten Nickelbasislegierung zeigt ein ähnliches Verhalten wie die des borierten Stahls
42 CrMo 4. Nach der Einlaufphase geht die Verschleißrate ebenfalls in ein Plateau über (6 mg/h).
Im Rahmen der Versuchszeit konnte bislang kein totales Schichtversagen festgestellt werden, so
daß ein versagensbedingter Anstieg der Verschleißrate (Bereich III) ebenfalls nicht zu verzeichnen
ist. Im Gegensatz zu dem Schädigungsmechanismus des borierten Grundwerkstoffs X 20 CrNi 172,
der durch Schichthaftungsversagen gekennzeichnet ist, tritt im Fall des borierten Stahls 42 CrMo 4
der Verschleißangriff hauptsächlich an interkristallinen Bereichen der kolumnar aufgewachsenen
Fe‚,B-Schicht auf (Bild 10). Durch fortwährenden Erosionsverschleiß werden diese Schädigungsstel-
len ausgeweitet und vertieft, so daß es zu einem mehr flächigen Schichtabtrag kommt. Dies führt bis
zum Versagen der Beschichtung. Im Fall der borierten Nickelbasislegierung zeigt sich hingegen von
Beginn an eine flächige, wenn auch nur langsam voranschreitende Ablation einzelner Schichtlagen
als der dominierende Schädigungsmechanismus (Bild 11).
Diskussion der Ergebnisse
Der Vergleich der unterschiedlichen Verschleißverhalten und Schädigungsmechanismen der hier
untersuchen Borierbeschichtungen läßt einen deutlichen Einfluß der Schichtverzahnung auf die hy-
droabrasive Verschleißbeständigkeit vermuten. Während im Fall des borierten Stahls
X 20 CrNi 17 2 mit einer nur wenig mit dem Grundwerkstoff verzahnten Fe,„B-Phase der hydroab-
rasive Verschleißangriff zu schnellem Schichtversagen führt, wird in den Fällen der borierten
Grundwerkstoffe 42 CrMo 4 und NiCr 19 NbMo die schütztende Borierschicht allmählich bis zum
Grundwerkstoff abgetragen. Bei langen Versuchszeiten ist für die Verschleißrate des borierten
Stahls 42 CrMo 4 mit einem Anstieg über das Niveau des durch das Borieren ausscheidungsmodifi-
zerten Grundwerkstoffs X 20 CrNi 172 zu erwarten. Die verschiedenen Schichtmorphologien des
borierten Stahls 42 CrMo 4 und der Nickelbasislegierung NiCr 19 NbMo bieten zudem eine Erklä-
rungsmöglichkeit für die unterschiedlichen Verschleißraten. Die kolumnare Struktur der Fe,B-Phase
auf dem Stahl 42 CrMo 4 unterliegt aufgrund des bevorzugten Verschleißangriffs an den weichen
interkristallinen Bereichen einem größeren Erosionsverschleiß als die nadelförmig vorliegende
mehrphasige Borierschicht auf der Nickelbasislegierung NiCr 19 NbMo. Zwar kommt es im Fall
der Legierung NiCr 19 NbMo zur Ablation einzelner Schichtlagen, die neu entstandenen Oberflä-