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Variation und Charakterisierung von Erstarrungsgetügen
O. Pompe, P. Neuhäusel, H.E. Exner
Technische Hochschule Darmstadt, Fachbereich Materialwissenschaft
Kurzfassung
Durch gezielte Wahl der Erstarrungsbedingungen wurden in einer Al-6,8Gew.%Cu - Legierung qua-
litativ stark unterschiedliche Gefüge eingestellt. Die Ausbildung der Mikrostruktur (Mengenanteile
sowie die Größe und Form der Gefügebestandteile) hängt nicht nur von der Erstarrungszeit, sondern
auch empfindlich von der Form der Abkühlkurve ab. Zur Charakterisierung der Längenskala von
Gußgefügen ist der in der Literatur hauptsächlich verwendete Dendritenarmabstand nicht immer
geeignet. Es werden deshalb zwei weitere Längenparameter, nämlich die mittlere Sehnenlänge und
ein neu entwickelter Parameter, der Skelettabstand, eingeführt und in Bezug auf die Aussagefähig-
keit mit der Dendritenarmabstandsmessung verglichen.
Abstract
By careful selection of solidification parameters the resulting microstructures of an Al-6,8wt.%Cu -
alloy have been varied in a wide range. Volume fraction and size of the phases do not only depend
on the solidification time but are pronouncedly affected by details of the cooling schedule (shape of
the cooling curve) as well. The dendrite arm spacing which is most common in literature is not well
suited to describe the size of the primary phase in all cases. Therefore, two additional parameters,
the mean chord length and a newly developed parameter, the skeleton distance, were assessed and
compared to the measurements of dendrite arm spacings.
Experimentelle Details
Die meisten in der Literatur vorhandenen Arbeiten untersuchen die Ausbildung des Gefüges, d.h.
die Anteile und die Größe der Phasen in Abhängigkeit von der Erstarrungszeit (1-4). Sasikumar et
al. (5) und Kraft und Exner (6) sagen zusätzlich einen starken Einfluß der Form der Abkühlkurve
auf die Mikrostruktur voraus. Zur Untersuchung dieses Effektes wird hier eine Al-6.8Gew.%Cu -
Legierung entweder mit linearem Temperatur-Zeit-Verlauf erstarrt oder bei unterschiedlichen Tem-
peraturen im Zweiphasengebiet gehalten und anschließend abgeschreckt. Dafür wird in einem senk-
recht stehenden Zehn-Zonen-Ofen ein lineares Temperaturprofil zwischen 800°C und 300°C einge-
stellt, durch das die Proben mit Hilfe eines Motors bewegt werden.
In Bild 1 sind schematisch die verschiedenen Formen von Abkühlkurven dargestellt. Die mit LIN
gekennzeichneten Kurven entsprechen linearen Temperatur-Zeit-Verläufen. Diese Form der Ab-
kühlkurve wird dadurch erzeugt, daß eine Probe mit konstanter Motorgeschwindigkeit im Ofenrohr
abgesenkt wird. Das Einstellen unterschiedlicher Erstarrungszeiten bei gleicher Form der Abkühl-
kurve erfolgt durch Variation der Motorgeschwindigkeit. Bei Erreichen der eutektischen Tempera-
tur werden die Proben im Wasserbad abgeschreckt.
Bei den mit HHT (hohe isotherme Haltetemperatur) und THT (tiefe isotherme Haltetemperatur)
beschrifteten Kurven wird die Probe eine bestimmte Zeit bei einer Temperatur gehalten, die sich
innerhalb des Zweiphasengebiets fest - flüssig befindet. Bei der Abkühlkurvenform HHT wird die
Probe nach dem vollständigen Aufschmelzen mit einer Geschwindigkeit von 5 mm/s (maximale
Motorgeschwindigkeit) im Ofenrohr abwärts bewegt, bis die Probentemperatur 628°C beträgt. Das
entspricht bei der Al-6,8Gew.%Cu - Legierung einem Festkörperanteil f;(T=628°C) von 50 %. Bei
den mit THT gekennzeichneten Abkühlkurven beträgt: die Haltetemperatur T=555°C, der Festkör-