134 Prakt. Met. Sonderband 30 (1999)
Für den sicheren Einsatz eines Werkstoffs als Hochtemperaturkomponente unter Kriechbedingun-
gen (z.B. als Turbinenschaufel) muß sein mechanisches Kriechverhalten ausreichend charakterisiert
werden. Darüber hinaus sollten alle mikrostrukturellen Vorgänge beim Kriechen verstanden sein.
Obwohl in den letzten Jahren zum Kriechen von y-Basis TiAl-Legierungen bereits einige Untersu-
chungen durchgeführt wurden (4-8), lassen die vorliegenden mikrostrukturellen Ergebnisse leider
noch keine generellen Schlußfolgerungen auf alle Elementarprozesse des Kriechens zu. Besonders
die Entwicklung der Mikrostruktur beim Kriechen im Bereich kleiner Dehnungen wurde noch nicht
systematisch untersucht. Deshalb ist es nötig, die Auswirkungen der Einflußparameter wie Span-
nung, Temperatur und Dehnung auf die Gefügeentwicklung zu identifizieren. In dieser Arbeit soll
nun die dringend erforderliche quantitative Charakterisierung des Gefüges von kriechbeanspruchten
TiAl-Legierungen (y-o.,/y) mit Duplexgefiige vorangetrieben werden.
Experimentelle Methoden
Die Zusammensetzung der hier untersuchten Legierung ist in Tabelle 1 gegeben. Der Legierung
wurde 0,8 Vol.-% TiB, zur Begrenzung des Kornwachstums bei der Wärmebehandlung zugegeben.
Nach dem HIPpen und der Wärmebehandlung lag ein Duplexgefiige vor, das aus y- und lamellaren
Körnern besteht.
Es wurde unverformtes (AZ = Ausgangszustand) und kriechverformtes Material untersucht. Eine
detaillierte Beschreibung der Kriechproben und Kriechversuche wird in (9) gegeben. Die
Kriechtemperatur wurde konstant bei 750 °C gehalten. Die Versuche wurden unter konstanter Last
durchgeführt, wobei die zu Beginn herrschende Spannung zwischen 204 und 296 MPa variiert wur-
de. Ein Versuch wurde erst nach Eintreten des Bruchs beendet, der überwiegende Teil der Versuche
jedoch nach Erreichen einer bestimmten Dehnung unterbrochen; anschließend wurde die Gefüge-
entwicklung untersucht.
" Chemische Analyse | Ti - 46,57 Al - 2,01 Mn - 2,04 Nb - 1,15 B - 0,06 Si -
(in At.-%),(* in wtppm)| 0,034 Fe - 0,03 Cu - 507* O - 70* C - 73* N-5*H
HIP | 1260 °C, 172 MPa
| Wärmebehandlung | 1010 °C / 50 h, Vakuum ;
_ Gefüge _ Duplex
Tabelle 1: Chemische Zusammensetzung und Herstellungsbedingungen der unter-
suchten Legierung
Die Probenentnahme fiir die Gefiigeuntersuchungen erfolgte senkrecht zur äußeren Spannungs-
richtung. Mit Hilfe einer Niedertourensdge wurden die unverformte und verformten Proben ge-
trennt. Die abgetrennten zylindrischen Proben besaßen einen Durchmesser von ca. 4 mm und eine
Länge von ca. 8 mm. Der Durchmesser der vom Ausgangszustand abgetrennten Probe betrug etwa
10 mm bei einer Höhe von ca. 3 mm. Durch stufenloses Naßschleifen der Proben mit einer Körnung
von 160 bis 4000 wurden die Stirnflächen planparallel geschliffen. Danach sind die Stirnflächen mit
einer Mischung aus 600 ml Methanol, 360 ml Butylglykol und 60 ml Perchlorsäure bei einer Tem-
peratur von ca. 0 °C und einer Spannung von 30 V für eine Dauer von je 2 mal 9 Sekunden elek-
trolytisch poliert worden. Alle mikroskopischen Untersuchungen wurden im ungeätzten Zustand
vorgenommen.