Analytische Beschreibung der Partikelkonstitution in räumlichen Sinter-
modellen mit Hilfe der Mikrofokus Computertomographie
Ricardo Bernhardt*, Karsten Pischang*, Bernd Kieback**, Joachim Ohser***
* Technische Universität Dresden, ** Fraunhofer-Institut für Angewandte Materialforschung,
Dresden. *** Institut fiir Techno- und Wirtschaftsmathematik, Kaiserslautern
Abstrakt - Die Beschreibung der beim Sintern ablaufenden Vorginge, die zu Kontaktbildung, -
wachstum und Annäherung der Zentren benachbarter Teilchen führen, geht von
Zweiteilchenmodellen aus. Die aus zahlreichen Experimenten entwickelten
Schwindungsgleichungen, vernachlässigen jedoch die im realen Sinterkörper vorliegenden
komplizierten geometrischen Verhältnisse durch Teilchengrößenverteilung, unregelmäßige
Teilchenform, Packungsinhomogenitäten und erhöhte Defektkonzentration.
Die folgerichtig an Kugelreihen und an ebenen (2D) Kugelschüttungen durchgeführten Modellun-
tersuchungen dienten zum Nachweis von Translations- und Rotationsbewegungen der Teilchen zu-
einander während der Sinterung. Die Ursachen dieser Teilchenbewegungen liegen im Bestreben
nach Ausbildung energetisch günstiger Korngrenzen zwischen Teilchen, mit asymmetrischen Kon-
taktverhältnisse und inneren Spannungen infolge ungleicher Zentrumsannäherung von mehreren
benachbarten Teilchen mit unterschiedlicher Teilchengröße. Die Folgen der Verschiebung ganzer
Teilchen innerhalb 3D Sintermodelle konnten bislang quantitativ nicht geklärt werden. Es wird an-
genommen, daß diese Umlagerungsvorgänge, wie an Teilchenketten gezeigt, zu erheblichen
Schwindungsbeiträgen führen bzw. die innere Geometrie des Sinterkörpers so verändern, daß lokale
Verdichtung und Porenauffüllung in der Umgebung zur Bildung großer Poren führt, die im späteren
Sinterverlauf nur langsam oder gar nicht ausheilen.
Mit Hilfe der Mikrofokus- Computertomographie ist es erstmals möglich die Partikelkonstitution
in 3D Sintermodellen zu bestimmen. Dabei werden die Koordinaten und der Zustand jedes einzel-
nen Pulverteilchens im jeweiligen Sinterstadium bezogen auf den Ausgangszustand detailliert abge-
bildet. Die räumliche Analyse dieser Teilchenzustände erfolgt mit Hilfe mathematischer Modelle.
I. Einleitung
Die wissenschaftliche Beschreibung der beim Sintern ablaufenden Vorgänge, die zu Kontaktwach-
stum und Annäherung der Zentren benachbarter Teilchen führen, geht von Zweiteilchenmodellen
aus, die stark idealisiert die geometrischen Verhältnisse des Kontaktes widerspiegeln und Diffusi-
onsströme als Mechanismen des Materialtransportes infolge von Leerstellengradienten vorsehen. In
Modellexperimenten von Kuczynski [1] , Geguzin [2] und anderen (s. in [3]) wurden die theoreti-
schen Niherungsgleichungen iiberpriift und als wesentliche Materialtransportvorginge die Oberfld-
chendiffusion, Korngrenzendiffusion und Volumendiffusion identifiziert. Von den genannten Me-
chanismen sind die Volumendiffusion von Leerstellen zur Kontaktkorngrenze und in der Korngren-
ze die bestimmenden [2]. Unter der Annahme, daß die im Zweiteilchenmodell beschreibbaren Vor-
gänge in einem aus vielen Teilchen bestehenden Pulverhaufwerk an jedem Teilchenkontakt in glei-
cher Weise ablaufen, wurden die Theorien weiterhin genutzt, um das Schwindungsverhalten eines
Pulverkörpers vorherzusagen. Diese Schwindungsgleichungen [4], vernachlässigen die im realen
Sinterkörper vorliegenden komplizierten geometrischen Verhältnisse durch Teilchengrößenvertei-
lungen. unregelmäßige Teilchenform, Packungsinhomogenitäten und erhöhte Defektkonzentration.
109